Ungekürztes Werk "Kabale und Liebe" von Friedrich Schiller (Seite 32)

vorgestern. Die Mode vom vorigen Jahr.

HOFMARSCHALL: Ich beschwöre Sie, Teurer, Goldner! – Ersticken Sie diesen Gedanken! Ich will mir ja alles gefallen lassen.

PRÄSIDENT: Wollen Sie Ihren Namen zu einem Rendezvous hergeben, den Ihnen diese Millerin schriftlich vorschlagen soll?

HOFMARSCHALL: Im Namen Gottes! Ich will ihn hergeben.

PRÄSIDENT: Und den Brief irgendwo herausfallen lassen, wo er dem Major zu Gesicht kommen muß.

HOFMARSCHALL: Zum Exempel auf der Parade will ich ihn als von ohngefähr, mit dem Schnupftuch herausschleudern?

PRÄSIDENT: Und die Rolle ihres Liebhabers gegen den Major behaupten?

HOFMARSCHALL: Mort de ma vie! Ich will ihn schon waschen! Ich will dem Naseweis den Appetit nach meinen Amouren verleiden.

PRÄSIDENT: Nun geht's nach Wunsch. Der Brief muß noch heute geschrieben sein. Sie müssen vor Abend noch herkommen, ihn abzuholen, und Ihre Rolle mit mir zu berichtigen.

HOFMARSCHALL: Sobald ich sechszehn Visiten werde gegeben haben, die von allerhöchster Importance sind. Verzeihen Sie also, wenn ich mich ohne Aufschub beurlaube. Geht.

PRÄSIDENT klingelt: Ich zähle auf Ihre Verschlagenheit, Marschall.

HOFMARSCHALL ruft zurück: Ah mon Dieu! Sie kennen mich ja.

Dritte Szene

Der Präsident und Wurm.

WURM: Der Geiger und seine Frau sind glücklich und ohne alles Geräusch in Verhaft gebracht. Wollen Ewr. Exzellenz jetzt den Brief überlesen?

PRÄSIDENT nachdem er gelesen: Herrlich! Herrlich Sekretär! Auch der Marschall hat angebissen! – Ein Gift, wie das müßte die Gesundheit selbst in eiternden Aussatz verwandeln – Nun gleich mit den Vorschlägen zum Vater, und dann warm zu der Tochter.

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Vierte Szene

Zimmer in Millers Wohnung.

Luise und Ferdinand.

LUISE: Ich bitte dich, höre auf. Ich glaube an keine glückliche Tage mehr. Alle meine Hoffnungen sind gesunken.

FERDINAND: So sind die meinigen gestiegen. Mein Vater ist aufgereizt. Mein Vater wird alle Geschütze gegen uns richten. Er wird mich zwingen, den unmenschlichen Sohn zu machen. Ich stehe nicht mehr für meine kindliche Pflicht. Wut und Verzweiflung werden mir das schwarze Geheimnis seiner Mordtat erpressen. Der Sohn wird den Vater in die Hände des Henkers liefern – Es ist die höchste Gefahr – – und die höchste Gefahr mußte dasein, wenn meine Liebe den Riesensprung wagen sollte. – – Höre Luise – ein Gedanke, groß und vermessen wie meine Leidenschaft drängt sich vor meine Seele – Du Luise und ich und die Liebe! – Liegt nicht in diesem Zirkel der ganze Himmel? oder brauchst du noch etwas Viertes dazu?

LUISE: Brich ab. Nichts mehr. Ich erblasse über das, was du sagen willst.

FERDINAND: Haben wir an die Welt keine Foderung mehr, warum denn ihren Beifall erbetteln? Warum wagen, wo nichts gewonnen wird und alles verloren werden kann? – Wird dieses Aug nicht ebenso schmelzend funkeln, ob es im Rhein oder in der Elbe sich spiegelt oder im Baltischen Meer? Mein Vaterland ist, wo mich Luise liebt. Deine Fußtapfe in wilden sandigten Wüsten ist mir interessanter, als das Münster in meiner Heimat – Werden wir die Pracht der Städte vermissen? Wo wir sein mögen, Luise, geht eine Sonne auf, eine unter – Schauspiele, neben welchen der üppigste Schwung der Künste verblaßt. Werden wir Gott in keinem Tempel mehr dienen, so ziehet

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