Ungekürztes Werk "Kabale und Liebe" von Friedrich Schiller (Seite 31)
– Alles kommt, wie begreiflich ist, in Alarm – von Bock und ich – Wir waren noch Kammerjunker – wir kriechen durch den ganzen Redoutensaal, das Strumpfband zu suchen – endlich erblick ich's – von Bock merkt's – von Bock darauf zu – reißt es mir aus den Händen – ich bitte Sie! – bringt's der Prinzessin und schnappt mir glücklich das Kompliment weg – Was denken Sie?
PRÄSIDENT: Impertinent!
HOFMARSCHALL: Schnappt mir das Kompliment weg – Ich meine in Ohnmacht zu sinken. Eine solche Malice ist gar nicht erlebt worden. – Endlich ermann ich mich, nähere mich Ihrer Durchlaucht und spreche: Gnädigste Frau! von Bock war so glücklich, Höchstdenenselben das Strumpfband zu überreichen, aber wer das Strumpfband zuerst erblickte, belohnt sich in der Stille und schweigt.
PRÄSIDENT: Bravo Marschall! Bravissimo!
HOFMARSCHALL: Und schweigt – Aber ich werd's dem von Bock bis zum Jüngsten Gerichte noch nachtragen – der niederträchtige kriechende Schmeichler! – und das war noch nicht genug – Wie wir beide zugleich auf das Strumpfband zu Boden fallen, wischt mir von Bock an der rechten Frisur allen Puder weg, und ich bin ruiniert auf den ganzen Ball.
PRÄSIDENT: Das ist der Mann, der die Milford heuraten, und die erste Person am Hof werden wird.
HOFMARSCHALL: Sie stoßen mir ein Messer ins Herz. Wird? Wird? Warum wird er? Wo ist die Notwendigkeit?
PRÄSIDENT: Weil mein Ferdinand nicht will, und sonst keiner sich meldet.
HOFMARSCHALL: Aber wissen Sie denn gar kein einziges Mittel, den Major zum Entschluß zu bringen? – – Sei's auch noch so bisarr! so verzweifelt! – Was in der Welt kann so widrig sein, das uns jetzt nicht willkommen wäre, den verhaßten von Bock auszustechen?
PRÄSIDENT: Ich weiß nur eines, und das bei Ihnen steht.
HOFMARSCHALL: Bei mir steht? Und das ist?
PRÄSIDENT: Den Major mit seiner Geliebten zu entzweien.
Hofmarschall: Zu entzweien? Wie meinen Sie das? – und wie mach ich das?
PRÄSIDENT: Alles ist gewonnen, sobald wir ihm das Mädchen verdächtig machen.
HOFMARSCHALL: Daß sie stehle, meinen Sie?
PRÄSIDENT: Ach nein doch! Wie glaubte er das? – daß sie es noch mit einem andern habe.
HOFMARSCHALL: Dieser andre?
PRÄSIDENT: Müßten Sie sein, Baron.
HOFMARSCHALL: Ich sein? Ich? – Ist sie von Adel?
PRÄSIDENT: Wozu das? Welcher Einfall! – eines Musikanten Tochter.
HOFMARSCHALL: Bürgerlich also? Das wird nicht angehen. Was?
PRÄSIDENT: Was wird nicht angehen? Narrenspossen! Wem unter der Sonne wird es einfallen, ein paar runde Wangen nach dem Stammbaum zu fragen?
HOFMARSCHALL: Aber bedenken Sie doch, ein Ehmann! Und meine Reputation bei Hofe!
PRÄSIDENT: Das ist was anders. Verzeihen Sie. Ich hab das noch nicht gewußt, daß Ihnen der Mann von unbescholtenen Sitten mehr ist als der von Einfluß. Wollen wir abbrechen?
HOFMARSCHALL: Seien Sie klug Baron. Es war ja nicht so verstanden.
PRÄSIDENT frostig: Nein – nein! Sie haben vollkommen recht. Ich bin es auch müde. Ich lasse den Karren stehen. Dem von Bock wünsch ich Glück zum Premierminister. Die Welt ist noch anderswo. Ich fodre meine Entlassung vom Herzog.
HOFMARSCHALL: Und ich? – Sie haben gut schwatzen, Sie! Sie sind ein Stuttierter! Aber ich? – Mon Dieu! Was bin dann ich, wenn mich Seine Durchleucht entlassen?
PRÄSIDENT: Ein Bonmot von