Ungekürztes Werk "Kabale und Liebe" von Friedrich Schiller (Seite 49)
Luisen zu bemerken, dann legt er den Hut auf den Tisch und setzt die Laterne nieder.
MILLER: Hier ist sie auch nicht. Hier wieder nicht – Durch alle Gassen bin ich gezogen, bei allen Bekannten bin ich gewesen, auf allen Toren hab ich gefragt – Mein Kind hat man nirgends gesehen. Nach einigem Stillschweigen: Geduld armer unglücklicher Vater. Warte ab, bis es morgen wird. Vielleicht kommt deine Einzige dann ans Ufer geschwommen – – Gott! Gott! Wenn ich mein Herz zu abgöttisch an diese Tochter hing? – Die Strafe ist hart. Himmlischer Vater, hart! Ich will nicht murren, himmlischer Vater, aber die Strafe ist hart. Er wirft sich gramvoll in einen Stuhl.
LUISE spricht aus dem Winkel: Du tust recht, armer alter Mann! Lerne beizeit noch verlieren.
MILLER springt auf: Bist du da mein Kind? Bist du? – Aber warum denn so einsam und ohne Licht?
LUISE: Ich bin darum doch nicht einsam. Wenn's so recht schwarz wird um mich herum, hab ich meine besten Besuche.
MILLER: Gott bewahre dich! Nur der Gewissenswurm schwärmt mit der Eule. Sünden und böse Geister scheun das Licht.
LUISE: Auch die Ewigkeit Vater, die mit der Seele ohne Gehilfen redet.
MILLER: Kind! Kind! Was für Reden sind das?
LUISE steht auf und kommt vorwärts: Ich hab einen harten Kampf gekämpft. Er weiß es Vater. Gott gab mir Kraft. Der Kampf ist entschieden. Vater! man pflegt unser Geschlecht zart und zerbrechlich zu nennen. Glaub Er das nicht mehr. Vor einer Spinne schütteln wir uns, aber das schwarze Ungeheuer Verwesung drücken wir im Spaß in die Arme. Dieses zur Nachricht Vater. Seine Luise ist lustig.
MILLER: Höre Tochter! Ich wollte du heultest. Du gefielst mir so besser.
LUISE: Wie ich ihn überlisten will, Vater. Wie ich den Tyrannen betrügen will! – Die Liebe ist schlauer als die Bosheit und kühner – das hat er nicht gewußt, der Mann mit dem traurigen Stern – Oh! sie sind pfiffig, solang sie es nur mit dem Kopf zu tun haben, aber sobald sie mit dem Herzen anbinden, werden die Böswichter dumm – – Mit einem Eid gedachte er seinen Betrug zu versiegeln? Eide, Vater, binden wohl die Lebendigen, im Tode schmilzt auch der Sakramente eisernes Band. Ferdinand wird seine Luise kennen – Will Er mir dies Billett besorgen, Vater? Will Er so gut sein?
MILLER: An wen, meine Tochter?
LUISE: Seltsame Frage! Die Unendlichkeit und mein Herz haben miteinander nicht Raum genug für einen einzigen Gedanken an ihn – Wenn hätt ich denn wohl an sonst jemand schreiben sollen?
MILLER unruhig: Höre Luise! Ich erbreche den Brief.
LUISE: Wie Er will, Vater – aber Er wird nicht klug daraus werden. Die Buchstaben liegen wie kalte Leichname da, und leben nur Augen der Liebe.
MILLER liest: »Du bist verraten, Ferdinand – ein Bubenstück ohne Beispiel zerriß den Bund unsrer Herzen, aber ein schröcklicher Schwur hat meine Zunge gebunden, und dein Vater hat überall seine Horcher gestellt. Doch wenn du Mut hast, Geliebter – ich weiß einen dritten Ort, wo kein Eidschwur mehr bindet, und wohin ihm kein Horcher geht.«
Miller hält inne, und sieht ihr