Ungekürztes Werk "Kabale und Liebe" von Friedrich Schiller (Seite 56)

den einzigen Reichtum – Nach einer Pause: Doch wie? was verliert er denn? Das Mädchen, dem die heiligsten Gefühle der Liebe nur Puppen waren, wird es den Vater glücklich machen können? – Es wird nicht! Es wird nicht! Und ich verdiene noch Dank, daß ich die Natter zertrete, ehe sie auch noch den Vater verwundet.

Fünfte Szene

Miller der zurückkommt und Ferdinand.

MILLER: Gleich sollen Sie bedient sein, Baron. Draußen sitzt das arme Ding, und will sich zu Tode weinen. Sie wird Ihnen mit der Limonade auch Tränen zu trinken geben.

FERDINAND: Und wohl, wenn's nur Tränen wären! – – Weil wir vorhin von der Musik sprachen Miller. Eine Börse ziehend. Ich bin noch Sein Schuldner.

MILLER: Wie? Was? Gehen Sie mir Baron! Wofür halten Sie mich? Das steht ja in guter Hand, tun Sie mir doch den Schimpf nicht an, und sind wir ja, will's Gott, nicht das letztemal beieinander.

FERDINAND: Wer kann das wissen? Nehm Er nur. Es ist für Leben und Sterben.

MILLER lachend: O deswegen Baron! Auf den Fall, denk ich, kann man's wagen bei Ihnen.

FERDINAND: Man wagte wirklich – Hat Er nie gehört, daß Jünglinge gefallen sind – Mädchen und Jünglinge, die Kinder der Hoffnung, die Luftschlösser betrogener Väter – Was Wurm und Alter nicht tun, kann oft ein Donnerschlag ausrichten – Auch Seine Luise ist nicht unsterblich.

MILLER: Ich hab sie von Gott.

FERDINAND: Hör Er – Ich sag Ihm, sie ist nicht unsterblich. Diese Tochter ist Sein Augapfel. Er hat sich mit Herz und Seel an diese Tochter gehängt. Sei Er vorsichtig Miller. Nur ein verzweifelter Spieler setzt alles auf einen einzigen Wurf. Einen Waghals nennt man den Kaufmann, der auf ein Schiff sein ganzes Vermögen ladet – Hör Er, denk Er der Warnung nach – – Aber warum nimmt Er Sein Geld nicht?

MILLER: Was Herr? Die ganze allmächtige Börse? Wohin denken Euer Gnaden?

FERDINAND: Auf meine Schuldigkeit – Da! Er wirft den Beutel auf den Tisch, daß Goldstücke herausfallen. Ich kann den Quark nicht eine Ewigkeit so halten.

MILLER bestürzt: Was beim großen Gott? Das klang nicht wie Silbergeld! Er tritt zum Tisch, und ruft mit Entsetzen: Wie um aller Himmel willen Baron? Baron? Wo sind Sie? Was treiben Sie Baron? Das nenn ich mir Zerstreuung! Mit zusammengeschlagenen Händen: Hier liegt ja – oder bin ich verhext, oder – Gott verdamm mich! Da greif ich ja das bare gelbe leibhafte Gottesgold – – Nein Satanas! Du sollst mich nicht daran kriegen!

FERDINAND: Hat Er Alten oder Neuen getrunken, Miller?

MILLER grob: Donner und Wetter! Da schauen Sie nur hin! – Gold!

FERDINAND: Und was nun weiter?

MILLER: Ins Henkers Namen – ich sage – ich bitte Sie um Gottes Christi willen – Gold!

FERDINAND: Das ist nun freilich etwas Merkwürdiges.

MILLER nach einigem Stillschweigen zu ihm gehend mit Empfindung: Gnädiger Herr, ich bin ein schlichter gerader Mann, wenn Sie mich etwa zu einem Bubenstück anspannen wollen – denn so viel Geld läßt sich, weiß Gott, nicht mit etwas Gutem verdienen.

FERDINAND bewegt: Sei Er ganz getrost, lieber Miller. Das Geld hat Er längst verdient, und Gott bewahre mich,

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