Ungekürztes Werk "Kabale und Liebe" von Friedrich Schiller (Seite 58)

hätt ich das vergessen! – Darf ich Ihn um etwas bitten lieber Miller? Will Er mir einen kleinen Gefallen tun?

MILLER: Tausend für einen! Was befehlen – –

FERDINAND: Man wird mich bei der Tafel erwarten. Zum Unglück hab ich eine sehr böse Laune. Es ist mir ganz unmöglich, unter Menschen zu gehn – Will Er einen Gang tun zu meinem Vater und mich entschuldigen?

LUISE erschrickt und fällt schnell ein: Den Gang kann ja ich tun.

MILLER: Zum Präsidenten?

FERDINAND: Nicht zu ihm selbst. Er übergibt Seinen Auftrag in der Garderobe einem Kammerdiener – Zu Seiner Legitimation ist hier meine Uhr – Ich bin noch da, wenn Er wiederkommt. – Er wartet auf Antwort.

LUISE sehr ängstlich: Kann denn ich das nicht auch besorgen?

FERDINAND zu Millern, der eben fort will: Halt, und noch etwas! Hier ist ein Brief an meinen Vater, der diesen Abend an mich eingeschlossen kam – Vielleicht dringende Geschäfte – Es geht in einer Bestellung hin –

MILLER: Schon gut, Baron!

LUISE hängt sich an ihn, in der entsetzlichsten Bangigkeit: Aber mein Vater, dies alles könnt ich ja recht gut besorgen.

MILLER: Du bist allein, und es ist finstre Nacht meine Tochter. Ab.

FERDINAND: Leuchte deinem Vater, Luise. Währenddem, daß sie Millern mit dem Licht begleitet, tritt er zum Tisch, und wirft Gift in ein Glas Limonade. Ja! Sie soll dran! Sie soll! Die obern Mächte nicken mir ihr schreckliches Ja herunter, die Rache des Himmels unterschreibt, ihr guter Engel läßt sie fahren –

Siebente Szene

Ferdinand und Luise.

Sie kommt langsam mit dem Lichte zurück, setzt es nieder, und stellt sich auf die entgegengesetzte Seite vom Major, das Gesicht auf den Boden geschlagen, und nur zuweilen furchtsam und verstohlen nach ihm herüberschielend. Er steht auf der andern Seite, und sieht starr vor sich hinaus.

Großes Stillschweigen, das diesen Auftritt ankündigen muß.

LUISE: Wollen Sie mich akkompagnieren Herr von Walter, so mach ich einen Gang auf dem Fortepiano.

Sie öffnet den Pantalon. Ferdinand gibt ihr keine Antwort. Pause.

LUISE: Sie sind mir auch noch Revanche auf dem Schachbrett schuldig. Wollen wir eine Partie Herr von Walter?

Eine neue Pause.

LUISE: Herr von Walter, die Brieftasche, die ich Ihnen einmal zu sticken versprochen – Ich habe sie angefangen – Wollen Sie das Dessin nicht besehen?

Wieder eine Pause.

LUISE: O ich bin sehr elend!

FERDINAND in der bisherigen Stellung: Das könnte wahr sein.

LUISE: Meine Schuld ist es nicht, Herr von Walter, daß Sie so schlecht unterhalten werden.

FERDINAND lacht beleidigend vor sich hin: Denn was kannst du für meine blöde Bescheidenheit?

LUISE: Ich hab es ja wohl gewußt, daß wir jetzt nicht zusammen taugen. Ich erschrak auch gleich, ich bekenne es, als Sie meinen Vater verschickten – Herr von Walter, ich vermute, dieser Augenblick wird uns beiden gleich unerträglich sein – Wenn Sie mir's erlauben wollen, so geh ich, und bitte einige von meinen Bekannten her.

FERDINAND: O ja doch, das tu. Ich will auch gleich gehn, und von den meinigen bitten.

LUISE sieht ihn stutzend an: Herr von Walter?

FERDINAND sehr hämisch: Bei meiner Ehre! der gescheideste Einfall, den ein Mensch in dieser Lage nur haben

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