Ungekürztes Werk "Kabale und Liebe" von Friedrich Schiller (Seite 61)

sie muß auf eine menschliche Probe kommen. Walter, das Wort noch, und dann geschieden – – Ein entsetzliches Schicksal hat die Sprache unsrer Herzen verwirrt. Dürft ich den Mund auftun, Walter, ich könnte dir Dinge sagen – ich könnte – – aber das harte Verhängnis band meine Zunge, wie meine Liebe, und dulden muß ich's, wenn du mich wie eine gemeine Metze mißhandelst.

FERDINAND: Fühlst du dich wohl, Luise?

LUISE: Wozu diese Frage?

FERDINAND: Sonst sollte mir's leid um dich tun, wenn du mit dieser Lüge von hinnen müßtest.

LUISE: Ich beschwöre Sie Walter –

FERDINAND unter heftigen Bewegungen: Nein! Nein! zu satanisch wäre diese Rache! Nein, Gott bewahre mich! in jene Welt hinaus will ich's nicht treiben – Luise! Hast du den Marschall geliebt? Du wirst nicht mehr aus diesem Zimmer gehen.

LUISE: Fragen Sie was Sie wollen. Ich antworte nichts mehr. Sie setzt sich nieder.

FERDINAND ernster: Sorge für deine unsterbliche Seele, Luise! – Hast du den Marschall geliebt? Du wirst nicht mehr aus diesem Zimmer gehen.

LUISE: Ich antworte nichts mehr.

FERDINAND fällt in fürchterlicher Bewegung vor ihr nieder: Luise! Hast du den Marschall geliebt? Ehe dieses Licht noch ausbrennt – stehst du – vor Gott!

LUISE fährt erschrocken in die Höhe: Jesus! Was ist das? – – und mir wird sehr übel. Sie sinkt auf den Sessel zurück.

FERDINAND: Schon? – Über euch Weiber und das ewige Rätsel! Die zärtliche Nerve hält Freveln fest, die die Menschheit an ihren Wurzeln zernagen; ein elender Gran Arsenik wirft sie um –

LUISE: Gift! Gift! O mein Herrgott!

FERDINAND: So fürcht ich. Deine Limonade war in der Hölle gewürzt. Du hast sie dem Tod zugetrunken.

LUISE: Sterben! Sterben! Gott Allbarmherziger! Gift in der Limonade und sterben! – O meiner Seele erbarme dich Gott der Erbarmer!

FERDINAND: Das ist die Hauptsache. Ich bitt ihn auch darum.

LUISE: Und meine Mutter – mein Vater – Heiland der Welt! mein armer verlorener Vater! Ist keine Rettung mehr? Mein junges Leben und keine Rettung! und muß ich jetzt schon dahin?

FERDINAND: Keine Rettung, mußt jetzt schon dahin – aber sei ruhig. Wir machen die Reise zusammen.

LUISE: Ferdinand auch du! Gift Ferdinand! Von dir? O Gott vergiß es ihm – Gott der Gnade, nimm die Sünde von ihm –

FERDINAND: Sieh du nach deinen Rechnungen – Ich fürchte, sie stehen übel.

LUISE: Ferdinand! Ferdinand! – Oh – Nun kann ich nicht mehr schweigen – der Tod – der Tod hebt alle Eide auf – Ferdinand – Himmel und Erde hat nichts Unglückseligers als dich – Ich sterbe unschuldig, Ferdinand.

FERDINAND erschrocken: Was sagt sie da? – Eine Lüge pflegt man doch sonst nicht auf diese Reise zu nehmen?

LUISE: Ich lüge nicht – lüge nicht – hab nur einmal gelogen mein Leben lang – Huh! Wie das eiskalt durch meine Adern schauert – – als ich den Brief schrieb an den Hofmarschall –

FERDINAND: Ha! dieser Brief! – Gottlob! Jetzt hab ich all meine Mannheit wieder.

LUISE ihre Zunge wird schwerer, ihre Finger fangen an gichterisch zu zucken: Dieser Brief – Fasse dich, ein entsetzliches Wort zu hören – Meine Hand schrieb, was mein Herz verdammte –

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