Ungekürztes Werk "Der Schimmelreiter" von Theodor Storm (Seite 120)

drehte ganz zierlich das Hälschen zu uns hin. – Aber Papa winkte nur stumm mit seinen Händen. – ›Was soll ich, lieber Papa? Soll ich zu dir hinunterkommen? – Gleich, gleich! Aber dann fang, Papa!‹ – Und eh wir's uns versahen, warf sie dem Herrn Bürgermeister alle ihre Puppentäßchen und Löffelchen zu, und er sagte gar nichts und suchte sie nur, so gut er konnte, einzufangen. Und dann, als das Tischchen leer war, nahm sie ihre Puppe in den Arm, ging wie ein Seiltänzer ein paar Schritte auf der runden Mauer hin, und – Herr Jesus! ich und der Herr Bürgermeister und das Tantchen Elsabe schrieen alle miteinander auf – da flog der kleine Unband mit der großen Puppe selbst herab und mitten in des Bürgermeisters Ranunkelbeet hinein!«

Die Augen des jungen Mädchens glänzten. »Weißt du, Kathi«, sagte sie, »Mama muß reizend gewesen sein! Hätte ich sie so nur einmal sehen können! – Meine Mama ist noch reizend, und jung, Kathi! Ich glaub, sie könnt noch heute von der Mauer springen.«

Die Alte schüttelte den Kopf. »Was das Frölen für Gedanken hat! Aber freilich, dazumalen gab's Tag für Tag was Neues mit dem hübschen Kindchen.«

Sie hatte eben zu weiterem Erzählen die Hände übers Knie gefaltet, als die Tür des Schuppens von einem Windstoß aufgerissen wurde; ein vorbeifliegender Brachvogel stieß seinen weithin hallenden Schrei aus; vom Ufer herauf konnte man das Wasser klatschen hören.

Die leichte Gestalt des Mädchens stand plötzlich hoch aufgerichtet vor der Alten. »O, du betrügerische Kathi!« rief sie und hob drohend ihre kleine Faust; »nun merk ich's erst, du wolltest mich hier festerzählen, bis deine große Tombakuhr auf eins marschierte und ich dann zu Mama nach Hause müßte! Aber diesmal, Kathi!« – – Noch einen anmutigen Knicks vor der Alten, und schon war sie draußen und machte mit den kleinen Händen eine Schwimmbewegung in die Luft.

Die Alte war mit hinausgelaufen; aber sie sah ihr Spiel verloren. »Nur um 's Himmels willen, Kind! Sie wollen doch heut nicht aus dem Floß hinausschwimmen?«

»Und warum nicht, Kathi? Du weißt ja, ich versteh's! Und ich sag dir, es wird 'ne Lust!

Der Fisch und der Vogel,

Der Wind und die Wellen

Sind alle meine Spielgesellen!«

Und singend schritt sie über das grüne Vorland zum Ufer hinab, den schönen Kopf dem Winde zugewandt; über den nackten Füßchen flatterte das leichte Sommerkleid.

Kopfschüttelnd ging die Alte in ihren Schuppen zurück. Strümpfe und Schühchen ihres Lieblings, die diese allerdings vor der Ruhebank hatte liegen lassen, legte sie fein beiseit; dann goß sie aus einem Kruge Wasser in einen kleinen Blechkessel und zündete die Spritmaschine an. »Das Kind wird heute auch wohl eine Tasse nehmen«, sagte sie, indem sie eins der braunen Kännchen von dem Regal herabnahm und den Inhalt des Kaffeetütchens in den daraufgesetzten Trichter leerte.

Aber es ließ ihr doch keine Ruhe; ihr war wie der Henne, die einen Wasservogel ausgebrütet hat. Ein paarmal hatte sie schon den Kopf zur Tür hinausgestreckt; jetzt lief sie vollends an den Strand hinab. Der Steg zum Badefloß war völlig überschwemmt, so daß das schaukelnde Bretterhaus

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