Ungekürztes Werk "Der Schimmelreiter" von Theodor Storm (Seite 13)

wer vor das Haus ritt, sein Pferd daran befestigen könne. Die Dirne schien von dort ihre Augen über den Deich hinaus nach dem Meer zu haben, wo an dem stillen Abend die Sonne eben in das Wasser hinabsank und zugleich das bräunliche Mädchen mit ihrem letzten Schein vergoldete.

Hauke stieg etwas langsamer an der Werfte hinan und dachte bei sich: ›So ist sie nicht so dösig!‹ dann war er oben. ›Guten Abend auch!‹ sagte er zu ihr tretend; ›wonach guckst du denn mit deinen großen Augen, Jungfer Elke?‹

›Nach dem‹, erwiderte sie, ›was hier alle Abend vor sich geht, aber hier nicht alle Abend just zu sehen ist.‹ Sie ließ den Ring aus der Hand fallen, daß er klingend gegen die Mauer schlug. ›Was willst du, Hauke Haien?‹ frug sie.

›Was dir hoffentlich nicht zuwider ist‹, sagte er. ›Dein Vater hat seinen Kleinknecht fortgejagt, da dachte ich bei euch in Dienst.‹

Sie ließ ihre Blicke an ihm herunterlaufen: ›Du bist noch so was schlanterig, Hauke!‹ sagte sie; ›aber uns dienen zwei feste Augen besser als zwei feste Arme!‹ Sie sah ihn dabei fast düster an, aber Hauke hielt ihr tapfer stand. ›So komm‹, fuhr sie fort; ›der Wirt ist in der Stube, laß uns hineingehen!‹

Am anderen Tage trat Tede Haien mit seinem Sohne in das geräumige Zimmer des Deichgrafen; die Wände waren mit glasurten Kacheln bekleidet, auf denen hier ein Schiff mit vollen Segeln, oder ein Angler an einem Uferplatz, dort ein Rind, das kauend vor einem Bauernhause lag, den Beschauer vergnügen konnte; unterbrochen war diese dauerhafte Tapete durch ein mächtiges Wandbett mit jetzt zugeschobenen Türen und einen Wandschrank, der durch seine beiden Glastüren allerlei Porzellan- und Silbergeschirr erblicken ließ; neben der Tür zum anstoßenden Pesel war hinter einer Glasscheibe eine holländische Schlaguhr in die Wand gelassen.

Der starke, etwas schlagflüssige Hauswirt saß am Ende des blankgescheuerten Tisches im Lehnstuhl auf seinem bunten Wollenpolster. Er hatte seine Hände über dem Bauch gefaltet und starrte aus seinen runden Augen befriedigt auf das Gerippe einer fetten Ente; Gabel und Messer ruhten vor ihm auf dem Teller.

›Guten Tag, Deichgraf!‹ sagte Haien, und der Angeredete drehte langsam Kopf und Augen zu ihm hin.

›Ihr seid es, Tede?‹ entgegnete er, und der Stimme war die verzehrte, fette Ente anzuhören, ›setzt Euch; es ist ein gut Stück von Euch zu mir herüber!‹

›Ich komme, Deichgraf‹, sagte Tede Haien, indem er sich auf die an der Wand entlang laufende Bank dem anderen im Winkel gegenübersetzte. ›Ihr habt Verdruß mit Euerem Kleinknecht gehabt und seid mit meinem Jungen einig geworden, ihn an dessen Stelle zu setzen!‹

Der Deichgraf nickte: ›Ja, ja, Tede; aber – was meint Ihr mit Verdruß? Wir Marschleute haben, Gott tröst uns, was dagegen einzunehmen!‹ und er nahm das vor ihm liegende Messer und klopfte wie liebkosend auf das Gerippe der armen Ente. ›Das war mein Leibvogel‹, setzte er behaglich lachend hinzu; ›sie fraß mir aus der Hand!‹

›Ich dachte‹, sagte der alte Haien, das letzte überhörend, ›der Bengel hätte Euch Unheil im Stall gemacht.‹

›Unheil? Ja, Tede; freilich Unheil genug! Der dicke Mopsbraten hatte

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