Ungekürztes Werk "Der Schimmelreiter" von Theodor Storm (Seite 220)

den Knaben; ja fast, als ob er mit den Augen ihn verschlingen wollte, daß er nicht hörte, wie der Oberst zu ihm redete: »Das wäre etwas; der König hat in seinem Preußen wohl weidgerechte Männer brauchen müssen. Hat Er mehr desgleichen?«

Aber es bedurfte eines weiteren Wortes, bevor der Fremde nochmals in sein Wams griff und ein zweites Schriftstück dem Oberst überreichte; zum Junker aber sprach er: »Es ist nicht Gefahr, so ich zugegen bin!« und raunete ein Wort zu beiden Thieren.

Da sprang der Knabe von der Treppe und lief zu den Hunden, die jetzt ihre großen Köpfe zu ihm wandten; der Fremde aber ließ langsam seine Hand auf des Junkers Scheitel sinken, und seine Lippen rühreten sich, als ob er heimlich bete.

Der Oberst hatte diesen Vorgang nicht gewahret; denn seine Augen hatten sich auf das Papier geheftet: »Oho!« rief er nun; »aus Schweden, vom König Carolus ein eigenes Sigill!« und er hob den Hut vom Kopfe, wie immer, wenn er den Namen seines einstigen Kriegsherrn sprach. »Wie kommt's denn, daß Er im Lande streifet, so Er solche Gönner aufzuweisen hat?«

»Lasset das!« sprach der Alte. »Es ist so meine Art.«

Der Oberst blickte ihn eine Weile an: »Ihr sehet mir zwar nicht einem gleich, der dienen möchte; aber folget mir in mein Gemach, so wollen wir der Sache näherkommen!«

Die Hunde streckten sich auf Befehl des Alten neben der Treppe; dann gingen beide in das Haus.

– – Am folgenden Tage hieß es, der Fremde sei als Wildmeister von dem Oberst angenommen; er habe sich die Wohnung im Thurmhaus ob der Heide ausbedungen, nur drei Tage im Jahr, vom 23. auf 25. Januarius, müsse ihm auf dem Hofe selbst Quartier gegönnet werden.

Das gab gar viel Gerede in Grieshuus; denn es war ja einmal Friede hierzulande, obschon der ränkesüchtige Görtz regierte und die Frau Herzogin-Witwe mit unserem kleinen Herzog sich in Schweden, in ihres Bruders Reiche, aufhielt; und geschahe hier sonst nichts anderes, als daß das Korn gedroschen und in den Ställen das Vieh gefüttert wurde.

An einem Abend, da ich im Herrenhause mit dem Junker unsere studia beendet hatte, stieg ich in die Gesindestub hinab, um meine Leuchte anzuzünden. Da saßen alle beieinander und ich hörte den Kutscher sagen: »Was weiß denn der von unsern schlimmen Tagen, die auch nun vor der Thüre sind?«

Der alte Schäfer, der mit seinem rauhen Hund ihm gegenüber saß, nahm die kurze Pfeife aus dem Mund: »Ich hab so mein' Gedanken, Jochum«, sprach er; »er wird zum erstenmal nicht hier sein. Eh denn der Herr hier eingezogen, da schon das Meisenzwitschern in den Büschen war, hat der junge Schmied da unten in der Schummerstunde einen auf der wüsten Stell am Dorf getroffen, wo einst ein Immengarten ist gewesen; der hat nach Grieshuus gewiesen und ihn gefraget: ›Wer wohnt denn dorten?‹ Und als er dann berichtet, ist er ihm eingefallen: ›Ein Schwed? Wie ist denn das?‹ – ›Ja, Herr; er hat sich eingefreiet; aber das Weib ist diesen Herbst verstorben.‹ Da er bei diesen Worten aufgeblicket, hat der Mann, der schon

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