Ungekürztes Werk "Der Schimmelreiter" von Theodor Storm (Seite 221)

ergrauet und von großem, herrenhaften Aussehen ist gewesen, die Händ gefaltet und ist todtenbleich geworden; der Schmied aber hat gesagt, und, so er mir erzählet, er hätt's nicht lassen können: ›Ja, Herr; aber einen stolzen Buben soll sie nachgelassen haben; und zum Frühjahr werden sie hier wohnen, gleich den alten Herren von Grieshuus, wo der ein erschlagen und der andre – –‹«

Als der Schäfer so weit gesprochen hatte, kam eine Stimme von der Ofenseite: »Gabriel! Gabriel! Spar deine unnützen Worte!« Das war die alte Matten; sie war blind, aber die Leute fürchteten sie, denn sie sah mit Geistesaugen, was erst die Zukunft bringen sollte, und so sie solcherweise anhub, meineten alle, daß sie prophezeien werde.

Und so ist es still geworden; aber die Alte sprach nicht weiter, und ich entzündete meine Leuchte, schritt über den Hof und dann im Thorhaus das Trepplein hinauf nach meinem Zimmer oben, und war der Kopf mir schwer, was für Verhängniß Gott hier möge zugelassen haben. Doch als ich bald danach ans Fenster trat, um in die Nacht hinaus zu forschen, ob nicht ein Sternlein von dem Himmel strahle, da sah ich hier im Erdenthal ein Lichtlein flimmern, wohl eine Viertelstunde fern, das in dem Thurm da drüben brennen mochte. Das war der neue, nein, der sehr alte Wildmeister! – Was er betreiben mochte, das wußte ich nicht; aber mir war, ich sei nun hier nicht mehr allein; und da ich mein Licht gelöschet, sah ich das andere noch lang von meinem Bette aus. Und Gott sei mit uns allen!

Aber am nächsten Sonnabend, es mochte nach neun Uhr abends sein, saß ich wiederum auf meiner Kammer. Mein Vetter im Dorfe drunten, der Pastor Heike Madsen, hatte mir bei gestrigem Besuche ein Buch der holländischen Irrlehrerin, der Antoinette Bourignon, gegeben, so vor Jahren drunten in der Stadt in eigenem Hause eine Buchdruckerei gehalten hatte, um ihre thörichten Meinungen als Bücher ausgehen zu lassen; es führete den Titel: »Das Grab der falschen Theologie«, und ist Anno 1674 auf dem Markt zu Flensburg durch den Scharfrichter verbrennet worden; hatte mein Vetter aber curiositatis halber noch dies Exemplar geborgen. Mir war von dem frechen Wuste solcher Lehren der Kopf schier wüst geworden, und von draußen schlug der Sturm an die Fenster, als wolle er die Scheiben aus dem Blei reißen.

Da legete ich den Unflat beiseite, denn mich fassete Begehr nach einem stillen Gruß von meinem Nachbar jenseit der Heide. Aber obwohl er bis hiezu noch um Mitternacht mit seinem Lichtlein in das Dunkel hinausgeleuchtet hatte, es war itzt alles schwarz da draußen. Der Sturm fuhr heran und wieder fort; und es war dann eine Zeitlang Todtenstille; nur in der Ferne hörete ich ihn tosen, als ob er dort zu schaffen habe, bis er zurückkam und mit frischen Kräften wieder gegen Mauer und Fenster tobte. Und diesmal lag ich lang, bevor ich schlafen konnte.

– – Als ich am Morgen über den Hof ging, sprach ich zu einem Knechte: »Das war schlecht Wetter in der Nacht!« – »Ja, Herr, wie immer in

Seiten