Ungekürztes Werk "Der Schimmelreiter" von Theodor Storm (Seite 219)
Schäfer mit Mundwasser und Kräutersalben wacker dazugethan war.
Der Junker Rolf stand neben mir auf der Freitreppe vor dem Herrenhause; wir sahen zu, wie der Herr Oberst dem Rappen mit linder Hand über die wunde Stelle strich und dem muthigen Thiere beschwichtigende Worte zusprach.
»Wird bald baten, Gnaden Herr Oberst!« sagte der Schäfer; und der Vetter, der auch daneben stand, steckte die Hände in seine weiten Hosensäcke und sprach wie allzeit, wenn er seiner Weisheit auf den Boden sah: »Freilich, freilich, Oberst; will nur alles seine Weile haben.« Der Oberst aber schüttelte den Kopf und warf einen gar despektierlichen Blick auf den sorglosen alten Herrn: »Gegen Wölfe und Wunden helfen nicht bloße Worte, davon Ihr großen Vorrath habet!«
Indem hörte ich Schritte von der Einfahrt her und sah über den Rappen weg einen hohen, aber schon stark ergrauenden Mann in den Hof treten; er trug ein lederfarben Wams und hatte einen Hirschfänger am Gurte hängen, war auch sonst in seiner Kleidung wie damals solche, die im Jagd- oder Forstwesen in hoher Herren Diensten standen; aber in seinem Antlitz waren tiefe Furchen. Ihm zu jeder Seite ging ein gar gewaltiger, brauner Schweißhund mit breitem Ohrgehänge, welche mit ihm auf uns zuschritten. Seltsam schien mir, daß er nicht um sich blickte, sondern geradeswegs nach der Stelle ging, wo der Oberst sich neben dem wunden Rosse hielt.
Als dieser sich aufrichtete und ihm sagte, er sei der Herr hier, und was Botschaft etwa er zu bringen habe, lüftete der Fremde ein wenig seine Kappe, aber fast nicht als ein Untergebener oder ein Begehrender; und hub dann im ruhigen Tone an, wie er als erprobter hirsch- und wolfgerechter Jäger den Wölfen nicht nur mit Schießen, Gruben oder Giftlegen, sondern auch auf minder bekannte Art beizukommen gute Wissenschaft erlanget, und zu dem Ende, da er von dem Nothstand hier vernommen, dem Herrn Oberst seine Dienste offeriere.
»Oho!« rief der Vetter und warf sich in die Brust; »wir halten hier nichts auf solche Jägerstücklein und Teufelsspielereien; sind auch genug der fahrenden Weidgesellen, die viel versprechen und dann wenig halten!«
Der Oberst hieß ihn schweigen, deutete aber auf die Hunde, die schier unbeweglich standen, die klugen Augen zu denen des greisen Manns gerichtet, und sprach zu diesem: »Wenn Er mir dienen will, was hat Er Seine Köter nicht am Thor gelassen? Hier binnen ist nur Platz für meine und meiner Freunde Hunde.«
Unter den buschigen Augbrauen des aufrechten Alten schoß es wie Funken; doch er entgegnete ruhig: »Wer ihren Herrn dingen will, der muß sie sich gefallen lassen; der Handel wird nur um so besser sein.«
Der Oberst schwieg einen Augenblick und frug dann: »Was für Atteste hat Er?«
Der Alte griff in sein Wams und übergab ihm eine Schrift; der Junker Rolf aber sah inzwischen nur nach den Hunden: »O sehen Sie, Herr Magister, die beiden schönen Kerle!«
Er wollte zu ihnen; da rief ich laut und griff nach seiner Hand: »Laß, laß, Junker! Das sind von den grausamen Bluthunden, und sie kennen dich ja nimmer!«
Bei diesen Worten sah der Fremde, uns andre nicht beachtend, auf