Ungekürztes Werk "Der Schimmelreiter" von Theodor Storm (Seite 225)
dem Obersten viel Ansehen hatte, hegte er ein groß Vertrauen. Der nahm ihn mit zur kleinen Jagd, wozu der Knabe seinen eigenen Hund besaß, und unterwies ihn, wie mit diesem und mit Schießgewehren richtig zu hantieren sei; obwohl von jäher Gemüthsart, nahm er strengen Tadel von ihm hin. Als sie einst im Herbste mit ihren Flinten über Feld gingen, frug der Wildmeister einen Knecht, der dorten Dünger über das Land streuete, wohin die Hühner, die sie jagten, wohl geflogen seien. Da hörte er, indeß er mit dem Knechte sprach, den Junker seines Hundes Namen: »Nero! Nero!« laut und zornig und noch immer lauter rufen; denn es war ein Igel, den der Hund nicht lassen wollte. Als aber der Alte seinen Kopf wandte, riß eben der Knabe des Knechtes Furke aus der Erde, um sie dem Hunde nach dem Leib zu stoßen.
Doch gleichwie von Eisenklammern fühlte er seine Hand von einer andern gepacket: »Erschlag nicht deinen Hund!« rief über ihm der Wildmeister, »du könnt'st das später einem Menschen thun!«
»Und er sah mich so furchtbar an«, sagte der Junker, da er es mir erzählete, »ich meint', er wolle mich gar selbst erschlagen! Dann aber legte er sanft den Arm um mich und sprach: »Das ist dein Blut, mein Kind; wir müssen wissen, wogegen wir zu kämpfen haben!« Und so, mit einem Worte, rief er den Hund, der mit gesenktem Kopfe von dem Igel abließ.«
Der Wildmeister war wohl selbst ein jähzorniger Mann gewesen, aber er hatte gelernt, sich zu besiegen; davon erhielt ich Beweis in eigener Gegenwart. Unser Pastor war in der Stadt zum Diakonate präsentieret, und ich hatte Lust zu seiner Nachfolge hier im Dorfe. So ging ich zum Herrn Obersten, um mein Anliegen vorzubringen, aber ich traf ihn nicht in der besten Laune. Er hatte ein Schreiben in der Hand, mit dem er in seinem Zimmer auf und ab ging; die Tante Adelheid hatte sich bei meinem Eintritt mit einem Kopfaufwerfen durch die Seitenthür davon begeben.
»Hat Er bei mir zu klagen, Magister?« sprach der Oberst, als ich meine Sache vorgetragen hatte, und da ich das verneinte: »So bleib Er! Er ist noch jung! Machen wir es gleich unserer Herzoginwitwe mit dem sechsjährigen Herzog, gehen wir nach Stockholm! Es wird auch dort für Ihn zu sorgen sein; Er kann doch nicht von meinem Buben lassen!«
Und da ich über solche Rede erstaunet und auch das letztere die Wahrheit war, so hatte ich nicht allsogleich die Antwort.
Da klopfte es; und auf ein heftiges »Herein« des Obersten war der Wildmeister in das Zimmer getreten. Aber jener beachtete ihn nicht: »Es ist hier nimmermehr zur hausen«, sprach er weiter; »die vormundschaftliche Regierung ist der Görtz, der steckt die Hälfte in die eigene Tasche und hat doch nie genug; und dabei kein Landtag und kein Landgericht! Aber hier ist einer«, und er schüttelte das Schreiben in seiner Faust, »der hat mir Handgeld für Grieshuus geboten! Freilich, die Tante ist in hellem Brand darüber.«
»Herr Oberst«, sagte der Wildmeister, »Sie werden Grieshuus doch nicht verkaufen wollen?« Und da ich