Ungekürztes Werk "Der Schimmelreiter" von Theodor Storm (Seite 227)

Trommeln aus dem Walde; Hundegebell, Schüsse und Geheul klangen durcheinander; und dann erst nachmittages kam hinter unseren beiden Reitern ein Wagen mit dem erlegten Wilde die Heide hinaufgefahren, redend und schreiend die Treiber mit den Hunden hinterdrein.

Mein Vetter war nicht Diakonus geworden, und vom Verkauf des Hofes hörte ich nichts mehr. Aber eines kam itzt, welches ich hier bemerken muß: die braune Abel, die sich auch gestrecket hatte, begann wie eine Katz um unseren Junker herzustreichen. Kreuzte er ihr den Weg, dann stand sie still, bis er vorüber war; so zwar, als ob sie keine Achtung von ihm nähme; denn sie wandte kaum den Kopf zu ihm; doch hab ich wohl gewahret, daß ihre dunkeln Augensterne bis in die äußersten Winkel ihres Auges drängten und ihm also heimlich folgeten; auch hatte sie itzt oft eine Blume oder einen Fetzen rothen Bandes sich an ihr braunes Haar geheftet und trachtete, überall ihm zu begegnen.

Eines Abends im August, da alles Gesinde schon in den Betten lag, promenierte ich einsam, meiner fernen Mutter denkend, im Gärtlein hinter der Westseite des Hauses, das der Oberst schon zu Anfang seiner Ehe angeleget und gegen das grobe Raubzeug mit einer hohen Mauer hatte umschließen lassen. Die Singvögel waren schon zur Ruh gegangen; aber der Würzeduft von Nelken und Jasminen erfüllete ihn ganz; die Sterne schimmerten so ruhig, es war eine warme Sommernacht.

Da ich eben auf dem breiten Steige an dem Hause hinaufging, hörte ich unfern eine Eule schreien, die ich für den frechen Waldkauz wohl erkannte; dann war es wieder, als ob in einen Baum geworfen würde, und es polterte etwas durch das Gezweig zur Erde. Ich stand still; es kam noch einmal, und »ksch, ksch!« rief eine kleine, zornige Stimme; »flieg doch zu deinen Teufeln!«

»Wer ist das?« frug ich mich selber; und wiederum, schon ganz in meiner Nähe, fiel etwas durch die Zweige eines großen Dornbaumes; aus einem offenen Fenster zur Seite einer Gangthür, so aus dem Hause hier in den Garten führete, rief eine müde Stimme, wie aus schweren Kissen: »Laß nur den Vogel, Kind; die Nacht bleibt doch lebendig!«

Und im Sternenschein sah ich eine halb aufgeschossene Dirne, schier im bloßen Hemde, in dem offenen Fenster stehen. »Abel!« rief ich, »führest du Krieg hier mit den Eulen?«

»Ja, Herr Magister!« rief das Kind fast weinend, »sie will nicht weg; meine Möddersch kann nicht schlafen!«

Da ich unter den Baum trat, flog die Eule ohne Laut davon; aber aus den Zweigen fiel es noch einmal auf den Grund, und da ich mich bückte, lagen Schuh und Kloppen und Bürsten ringsumher. »Du bist ein schlechter Schütze«, sagte ich, »und morgen wirst du hier zu sammeln haben; die Eule ist fort, leg dich nun schlafen!«

»Aber morgen«, entgegnete sie hadernd, »ist sie wieder da!« Dann rief sie rückwärts in das Zimmer: »Wartet nur, Möddersch; ich komme jetzt schon gleich!« und ein Nachthauch blähete das Linnen um ihre Kniee und trieb die feinen Härchen um ihr Antlitz.

»Sei ruhig, Abel«, sagte ich, zu ihr hintretend, »vor morgen nacht soll die Eule hier

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