Ungekürztes Werk "Der Schimmelreiter" von Theodor Storm (Seite 229)

Leuten in der Stadt untergebracht; es wurde auch für einige Unterweisung dabei gesorget, darob ich eine sonderbare Befriedigung in mir verspürte.

In diesem Sommer waren manche Wölfe eingebracht; die Schüsse aus dem Walde hörte ich öfters, wenn ich in der Nacht erwachte; es war, als ob der Alte mit Gewalt itzt sein Revier ausräumen wollte. Nun hingen die Wälder voll Eicheln, und Gott hieß den Wind sie auf die Erde schütteln; da wurden nach manchem Jahr zum erstenmal wieder die Schweine an Rand der Forsten auf die Mast getrieben, und geschahe davon kein Unheil. Aber über den Wildmeister tauchte hie und da Gerede auf, was nicht laut zu werden wagte; denn der Herr Oberst hatte kein Ohr für das, was mit der Zunge Wunden machet. Der Herr Vetter stieß mich an und raunete mir zu: »Geduld, Ehrwürden; wir kriegen ihn noch! Wenn nur Hans Christoph und die alte Matten reden wollten!« Und Tante Adelheid, so sie oben vom Fenster aus den gescholtenen Mann über den Hof schreiten sah, kniff die Lippen ein und schüttelte das Haupt.

So stand es zu Ende des Septembers. Da meldete eines Nachmittags der Wildmeister unserem Herrn, er denke einen und, worüber er sich informieret, den letzten ausgewachsenen Wolf in seinem eigenen Hofe auf sonderliche Art zu fangen; wenn der Junker es mit erleben wolle, so werde er ihm hernach schon eine Bettstatt richten, denn die Nacht würde wohl darüber einfallen.

Und da der Herr Oberst ihn näher ausgefraget, sahe er mich und den Junker an, die wir dabei zugegen waren. »Das mag auf ihm selber bleiben!« sagte er, indem der Sohn fast mit versetztem Athem zu ihm aufsah. »Und der Herr Magister? Der käme ja dann auch einmal bequemlich auf die Wolfsjagd?« Da danketen wir ihm; und als die Dämmerung sich zu senken begann, gingen wir mit dem Wildmeister über die Heide. Als wir dort waren, wo rechts gegen den Wald hinauf der helle Stein am Tümpel durch das Dunkel schien, raunte der Greis des Junkers Namen, und als dieser dichte zu ihm ging, nahm er seine Hand, als ob ihm hier ein Übles widerfahren könne.

Am Thurmhaus wurde die Pforte in der hohen Mauer, welche den Hof umgab, von dem alten Hans Christoph aufgethan.

»Ist alles vorgerichtet?« frug der Wildmeister.

»Freilich, Herr!« Und mir war, als hörete ich eine Trauer aus den zwei armen Worten.

Ein steinern Trepplein war gegenüber vor der Haus­thür; zur Seite unter einem Fenster ein desgleichen Sitz. Ich merkete mir alles, denn ich war noch nimmer hier gewesen. – Der Wildmeister ging mit uns in das Haus und in den oberen Stock hinauf, wo er uns in ein geräumiges Gemach brachte, das ein gewölbet Fenster, wohl mit dem Ausblick auf den Hof und über die Heide und seitwärts auf die Wälder, hatte; aber es war noch dunkel und nichts zu erkennen, denn eben erst kam im Osten die röthliche Scheibe des Mondes über den Rand der Erde.

»Wir müssen warten, sagte der Alte; »wir dürfen heut kein Licht anzünden!« Und er drückte uns auf zwei Stühle nieder, während

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