Ungekürztes Werk "Der Schimmelreiter" von Theodor Storm (Seite 42)

Haien war zur Zeit des Pferdemarktes in die Stadt geritten, ohne jedoch mit diesem dort zu tun zu haben. Gleichwohl, da er gegen Abend heimkam, brachte er ein zweites Pferd mit sich nach Hause; aber es war rauhhaarig und mager, daß man jede Rippe zählen konnte, und die Augen lagen ihm matt und eingefallen in den Schädelhöhlen. Elke war vor die Haustür getreten, um ihren Eheliebsten zu empfangen: ›Hilf, Himmel!‹ rief sie, ›was soll uns der alte Schimmel?‹ Denn da Hauke mit ihm vor das Haus geritten kam und unter der Esche hielt, hatte sie gesehen, daß die arme Kreatur auch lahme.

Der junge Deichgraf aber sprang lachend von seinem braunen Wallach: ›Laß nur, Elke; es kostet auch nicht viel!‹

Die kluge Frau erwiderte: ›Du weißt doch, das Wohlfeilste ist auch meist das Teuerste.‹

›Aber nicht immer, Elke; das Tier ist höchstens vier Jahr alt; sieh es dir nur genauer an! Es ist verhungert und mißhandelt; da soll ihm unser Hafer gut tun; ich werd es selbst versorgen, damit sie mir's nicht überfüttern.‹

Das Tier stand indessen mit gesenktem Kopf; die Mähnen hingen lang am Hals herunter. Frau Elke, während ihr Mann nach den Knechten rief, ging betrachtend um dasselbe herum; aber sie schüttelte den Kopf: ›So eins ist noch nie in unserem Stall gewesen!‹

Als jetzt der Dienstjunge um die Hausecke kam, blieb er plötzlich mit erschrocknen Augen stehen. ›Nun, Carsten‹, rief der Deichgraf, ›was fährt dir in die Knochen? Gefällt dir mein Schimmel nicht?‹

›Ja – o ja, uns' Weert, warum denn nicht!‹

– ›So bring die Tiere in den Stall; gib ihnen kein Futter; ich komme gleich selber hin!‹

Der Junge faßte mit Vorsicht den Halfter des Schimmels und griff dann hastig, wie zum Schutze, nach dem Zügel des ihm ebenfalls vertrauten Wallachs. Hauke aber ging mit seinem Weibe in das Zimmer; ein Warmbier hatte sie für ihn bereit, und Brot und Butter waren auch zur Stelle.

Er war bald gesättigt; dann stand er auf und ging mit seiner Frau im Zimmer auf und ab. ›Laß dir erzählen, Elke‹, sagte er, während der Abendschein auf den Kacheln an den Wänden spielte, ›wie ich zu dem Tier gekommen bin: ich war wohl eine Stunde beim Oberdeichgrafen gewesen; er hatte gute Kunde für mich – es wird wohl dies und jenes anders werden als in meinen Rissen; aber die Hauptsache, mein Profil, ist akzeptiert, und schon in den nächsten Tagen kann der Befehl zum neuen Deichbau da sein!‹

Elke seufzte unwillkürlich: ›Also doch?‹ sagte sie sorgenvoll.

›Ja, Frau‹, entgegnete Hauke; ›hart wird's hergehen; aber dazu, denk ich, hat der Herrgott uns zusammengebracht! Unsere Wirtschaft ist jetzt so gut in Ordnung; ein groß Teil kannst du schon auf deine Schultern nehmen; denk nur um zehn Jahr weiter – dann stehen wir vor einem anderen Besitz.‹

Sie hatte bei seinen ersten Worten die Hand ihres Mannes versichernd in die ihrigen gepreßt; seine letzten Worte konnten sie nicht erfreuen. ›Für wen soll der Besitz?‹ sagte sie. ›Du müßtest denn ein ander Weib nehmen; ich bring dir keine Kinder.‹

Tränen schossen ihr in die Augen; aber

Seiten