Ungekürzter Text "Dantons Tod" von Georg Büchner (Seite 21)
III, 4
Das Revolutionstribunal
HERRMANN zu Danton. Ihr Name, Bürger.
DANTON. Die Revolution nennt meinen Namen. Meine Wohnung ist bald im Nichts und mein Namen im Pantheon der Geschichte.
HERRMANN. Danton, der Convent beschuldigt Sie, mit Mirabeau, mit Dumouriez, mit Orléans, mit den Girondisten, den Fremden und der Faction Ludwig des XVII. conspirirt zu haben.
DANTON. Meine Stimme, die ich so oft für die Sache des Volkes ertönen ließ, wird ohne Mühe die Verläumdung zurückweisen. Die Elenden, welche mich anklagen, mögen hier erscheinen und ich werde sie mit Schande bedecken. Die Ausschüsse mögen sich hierher begeben, ich werde nur vor ihnen antworten. Ich habe sie als Kläger und als Zeugen nöthig. Sie mögen sich zeigen.
Uebrigens, was liegt mir an euch und eurem Urtheil. Ich hab' es euch schon gesagt: das Nichts wird bald mein Asyl seyn – das Leben ist mir zur Last, man mag mir es entreißen, ich sehne mich danach es abzuschütteln.
HERRMANN. Danton, die Kühnheit ist dem Verbrechen, die Ruhe der Unschuld eigen.
DANTON. Privatkühnheit ist ohne Zweifel zu tadeln, aber jene Nationalkühnheit, die ich so oft gezeigt, mit welcher ich so oft für die Freiheit gekämpft habe, ist die verdienstvollste aller Tugenden. Sie ist meine Kühnheit, sie ist es, der ich mich hier zum Besten der Republik gegen meine erbärmlichen Ankläger bediene. Kann ich mich fassen, wenn ich mich auf eine so niedrige Weise verläumdet sehe?
Von einem Revolutionär, wie ich darf man keine kalte Vertheidigung erwarten. Männer meines Schlages sind in Revolutionen unschätzbar, auf ihrer Stirne schwebt das Genie der Freiheit.
Zeichen von Beifall unter den Zuhörern.
Mich klagt man an, mit Mirabeau, mit Dumouriez, mit Orléans conspirirt, zu den Füßen elender Despoten gekrochen zu haben, mich fordert man auf vor der unentrinnbaren, unbeugsamen Gerechtigkeit zu antworten.
Du elender St. Just wirst der Nachwelt für dieße Lästerung verantwortlich seyn!
HERRMANN. Ich fordere Sie auf mit Ruhe zu antworten, gedenken Sie Marats, er trat mit Ehrfurcht vor seine Richter.
DANTON. Sie haben die Hände an mein ganzes Leben gelegt, so mag es sich denn aufrichten und ihnen entgegentreten, unter dem Gewichte jeder meiner Handlungen werde ich sie begraben.
Ich bin nicht stolz darauf. Das Schicksal führt uns den Arm, aber nur gewaltige Naturen sind seine Organe.
Ich habe auf dem Marsfelde dem Königthume den Krieg erklärt, ich habe es am 10. August geschlagen, ich habe es am 21. Januar getödtet und den Königen einen Königskopf als Fehdehandschuh hingeworfen. Wiederholte Zeichen von Beifall. Er nimmt die Anklageacte. Wenn ich einen Blick auf dieße Schandschrift werfe fühle ich mein ganzes Wesen beben. Wer sind denn die, welche Danton nöthigen mußten sich an jenem denkwürdigen Tage (dem 10. August) zu zeigen? Wer sind denn die privilegirten Wesen, von denen er seine Energie borgte? Meine Ankläger mögen erscheinen! Ich bin ganz bey Sinnen, wenn ich es verlange. Ich werde die platten Schurken entlarven und sie in das Nichts zurückschleudern, aus dem sie nie hätten hervorkriechen sollen.
HERRMANN schellt. Hören Sie die Klingel nicht?
DANTON. Die Stimme eines Menschen, welcher seine Ehre und sein Leben vertheidigt, muß deine Schelle überschreien.
Ich habe im September die junge Brut der Revolution mit den zerstückten Leibern der Aristocraten geäzt. Meine Stimme hat aus dem Golde der Aristocraten und Reichen dem Volke Waffen geschmiedet. Meine Stimme war der Orkan, welcher die Satelliten des Despotismus unter Wogen von Bajonetten begrub. Lauter Beifall.
HERRMANN. Danton, Ihre Stimme ist erschöpft, Sie sind zu heftig bewegt. Sie werden das Nächstemal Ihre Vertheidigung beschließen. Sie haben Ruhe nöthig.
Die Sitzung ist aufgehoben.
DANTON. Jezt kennt Ihr Danton; noch wenige Stunden und er wird in den Armen des Ruhmes entschlummern.