Ungekürztes Werk "Ledwina" von Annette von Droste-Hülshoff (Seite 2)

Sphinx neben seinem Herrn saß und zuhörte.

»Ist Sie nun recht naß?« fing der Fleischer an.

»Nicht sehr«, erwiderte Ledwina, indes der Mann mit seinem Stabe die Tiefe des Wassers neben dem großen Steine maß, auf den Ledwina bei ihrer Wasserreise geraten. »Aber ganz miserabel ist Ihr, das sehe ich wohl«, sagte er dann; »ich will nur sehen, daß ich Sie in das Haus dort bringe.«

In der Tat hatte Ledwina seines Beistandes sehr nötig, und sie erreichte nur mühsam das etwa hundert Schritte vom Flusse entlegene Bauernhaus, indes ihr Führer sie beständig von den Kennzeichen der tollen Hunde unterhielt.

Die alte Bäuerin schob schnell ihren Rocken zurück, als Ledwina mit den Worten: »Macht Feuer, Lisbeth, ich habe mich erkältet und erschreckt«, in die Türe trat. Der Fleischer hob sogleich die Geschichte des Abenteuers an.

»Macht Feuer!« wiederholte Ledwina, »ich habe mir im Sandloche nasse Füße geholt.«

Der Retter wollte die Sache mit der Mamsell gefährlicher machen.

»Es ist nichts, gnädiges Fräulein«, sagte die Alte beruhigt, legte Holz zum Feuer, stellte einen Stuhl daneben, rückte ein Kissen darauf zurecht und ging, um in dem Keller ein Glas frischer Milch zu holen.

Der Fleischer, in seiner besten Rede verlassen, rief ihr verdrießlich nach: »Einen Schnaps, Wirtin!«

»Wir verschenken keinen Schnaps«, sagte die Frau in der Kellertür; »ein Glas Milch könnt Ihr für einmal umsonst kriegen.«

»Mamsell«, hub der Fleischer von neuem an, »ich sage aber, Sie hätte wohl vertrinken können.« Ledwina mußte doch lächeln.

»Wenn ich mich auf den Mund gelegt hätte«, antwortete sie vor sich hin und suchte in ihrem Körbchen nach der Börse.

»Sie ist auch nicht besonders bei Kräften«, erwiderte er, und über Ledwinens Gesicht flog ein bitterer Zug, indem sie ihm ein Trinkgeld reichte.

»Gott bewahre«, erhub er seine Stimme, »einem Menschen das Leben retten, das ist nicht zu bezahlen«, wobei er beinahe tat, als wollte er das Dargebotene etwas weniges abwehren.

»Ihr habt mich ja auch hierher geleitet«, sprach Ledwina fast verdrießlich.

»Ja, wenn Sie das meint«, sagte der Retter und faßte geschwind zu; denn da Ledwina sich nach ihrem Körbchen neigte, meinte er, sie gedächte das Gebotene wieder einzustecken.

Die Bäuerin brachte die Milch. Der Fleischer brummte: »Wenn es noch ein gut Glas Bier wäre.«

Er nahm jedoch vorlieb, sprach gegen die Wirtin noch allerlei von bezahlen und gut bezahlen können und zog endlich ab.

»So geht es oft den ganzen Tag«, sprach die Bäuerin zu Ledwina, der es ganz behaglich am Feuer wurde. »Wenn wir allerhand Leute im Hause leiden wollten, der Zulauf wäre groß genug für das beste Wirtshaus. Die Leute denken: Geld regiert die Welt. Unser Klemens muß oft des Nachts aus dem Bette und führen die Reisenden beim Grafenloche vorbei. Das ist ihm auch nicht zugut, aber man mag die Leute doch nicht so ins Wasser stürzen lassen.«

»Jawohl«, sagte Ledwina, schon halb im Schlummer.

»Das gnädige Fräulein ist schläfrig«, sprach die Alte lächelnd, »ich will noch ein Kissen holen.«

»Bewahre«, rief Ledwina schnell, aus ihrem Stuhle auffahrend; aber schon war die alte Lisbeth wieder da mit zwei Kissen, deren eines sie auf den Sims neben den Herd legte, das andere auf

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