Ungekürztes Werk "Ledwina" von Annette von Droste-Hülshoff (Seite 5)
derlei Gespräche nicht wiederholen dürfe, ohne eben diese Eindrücke fast gewaltsam zu befördern? Denn ihr wißt, sie wäre kindisch und lebhaft genug, den Grafen mit seiner eigenen Biographie zu regalieren.«
»Man muß ihr sagen«, versetzte Karl, der immer die Stube auf und ab maß, »daß sie überhaupt nichts weiter bringt, das Klatschen ist ja an und für sich garstig genug.«
»Weißt du das einem so lebhaften Kinde ohne Arg beizubringen?« erwiderte die Mutter scharf.
»Wir haben doch nicht geklatscht, wie wir klein waren«, sagte Karl.
Die Mutter stockte einen Augenblick und sagte dann mit schonender Stimme, wie ungern: »Sie ist vielleicht auch lebhafter wie ihr alle.«
Karl ward rot und sagte halb vor sich hin: »Auch ziemlich unartig bisweilen.«
»Etwas unartig sind alle Kinder in dem Alter«, versetzte die Mutter streng, »und zudem gehorcht sie mir aufs Wort; ist es mit anderen nicht so, so mag die Schuld auf beiden Seiten stehen.« Beide schwiegen verstimmt, und eine drückende Pause entstand. »Von wem hast du Briefe?« hub Ledwina leise und ängstlich an.
»Es ist nur einer«, sagte Karl, »von Steinheim; er hat eine gute Anstellung bekommen zu Dresden und wird bei seiner Hinreise hier vorsprechen, da er über Göttingen reist, um dem Studentenleben noch einmal ein ewiges, lustiges Valet zu bringen, und da Römfeld, der aus Dresden ist, eben von dort abgeht, so reisen sie zusammen. Steinheim scheint der ungebetene Gast schon auf dem Herzen zu liegen.«
Dies letztere sagte er, halb zu der Mutter gewandt, die mit der möglichsten und angenehmsten Gastfreiheit sich jedoch das Recht der Einladung immer völlig vorbehielt.
»Wir kennen ihn ja schon«, sagte Therese und dann schnell, ehe Karl seine Antwort, daß diese Angst nicht Steinheim selbst, sondern Römfelden meine, anbringen konnte:
»Ledwina, wo bist du diesen Nachmittag gewesen?«
»Am Flusse hinunter«, entgegnete Ledwina.
»Du bist lange geblieben«, versetzte die Mutter.
»Ich habe lange«, erwiderte Ledwina, »bei der alten Lisbeth zugebracht; ich bin sehr gern dort.«
»Es sind auch gute Leute«, sagte die Mutter; »etwas stolz, aber das schadet nicht in ihrem Stande, es erhält sie ehrlich in jeder Hinsicht.«
»Es hat mich recht geschmerzt«, sprach Karl, »unser altes Domestikeninventarium fast ganz zerstört zu finden.«
»Mich auch«, sagte die Mutter lebhaft, »ich wollte sie gern aus dem Grabe heben, und wenn ich statt dessen ihren Sarg mit Golde füllen müßte. Wir haben sie so oft in freilich harmlosem Spotte das Fideikommiß genannt, aber wahrlich, solche Leute sind nicht sowohl unserer Treue von Gott vertraut wie wir der ihrigen, und nächst dem Schutzengel gibt es keine frommeren Hüter und nächst der Elternliebe keine reinere Neigung als die stille und innige Liebe solcher alten Getreuen gegen den Stamm, auf den sie einmal geimpft, worin alle anderen Wünsche und Neigungen, selbst die für und zu den eigenen Angehörigen haben zerschmelzen müssen.«
Frau von Brenkfeld war gegen das Ende ihrer Worte sehr gerührt. Ihre Stimme war fest, aber das leise Spiel der schönsten Gefühle in ihren ernsten Zügen gab ihnen eine unbeschreibliche Anmut.
Ledwina hatte währenddem ihre Mutter unablässig betrachtet und war bleich geworden, ein Zeichen, daß ein Gedanke sie ergriff.
»Ja«, sagte sie nun sehr langsam, als würden