Ungekürztes Werk "Ledwina" von Annette von Droste-Hülshoff (Seite 13)
nie etwas Derartiges gesagt«, versetzte Therese, indes ihre Augen wie in den Boden brennen wollten. – Ledwina sagte nachsinnend und lieblich: »Für einen anderen nichts, für ihn alles. Wärs ein anderer, so hättest du auch den Glauben nicht. Ach, Therese, du wirst sehr glücklich sein, das sage ich frei und schäme mich nicht. Wir suchen doch einmal alle, wenn schon meistens inkognito, aber ich habe aufgehört; denn ich weiß, daß ich nicht finde.« – Therese entgegnete demütig: »Ich darf auch nicht so viel verlangen wie du.« – »Das heißt nun nichts«, versetzte Ledwina sanft verweisend, »das kannst du selbst nicht glauben; du bist Gott und Menschen angenehmer, das weiß ich wohl.« Therese erschrak ordentlich und wollte einfallen, aber Ledwina winkte ernst mit der schmalen weißen Hand und fuhr fort: »Doch mein ruheloses törichtes Gemüt hat so viele scharfe Spitzen und dunkle Winkel, das müßte eine wunderlich gestaltete Seele sein, die da so ganz hinein paßte.« – Therese faßte erschüttert ihre beiden Hände und sagte, indem sie das Gesicht wie scheu umherwandte, um die Zeichen der höchsten Bewegung zu verbergen: »Ach Ledwina, ich mag jetzt gar nicht davon reden, wie lieb dich viele Menschen haben, aber auch du wirst finden, was dir einzig lieb bleibt. Gott wird ein so reines und leises Flehen nicht überhören.«
Ledwina, der das Gespräch zu angreifend wurde, sagte wie leichtsinnig: »Jawohl, man sagt ja, es gibt keinen so schlechten Topf, daß sich nicht ein Deckel dazu fände, aber Gott weiß, wo mein Erwählter lebt, vielleicht ist er in diesem Augenblick auf der Tigerjagd, es ist doch gerade die Zeit; und dann, du meinst, Steinheims Liebe sei unbemerkt geblieben. Glaub das ja nicht. Hab ich dir je früherhin ein Wort gesagt? Und doch ist mir alles seit einem Jahr die höchste Gewißheit, und ich kann euch gar nicht mehr in Gedanken trennen. Aber wie kannst du glauben, daß unsere Mutter auf einen bloßen, auch noch so getreuen Schein, sich über eine so zarte Sache äußern sollte, oder Karl, dem die Ehre und der Anstand fast zu viel sind. Ich habe oft und heimlich lachend den Kampf beider gesehen, wenn sie weder absichtlich störend noch nachlässig erscheinen wollten. Glaub mir, könnte Steinheim dich vergessen oder übergehen, so würden beide schweigen und sich fassen, aber ihr Glaube an die Menschen wäre dahin, so gut wie der deinige.«
»Aber auch heute, wo die Entscheidung so gar nahe gestellt ist«, versetzte Therese beklommen, »nicht das kleinste Zeichen in Miene oder Worten.«
»O Therese«, sagte Ledwina lächelnd, »ich sehe wohl, die Liebe macht die Leute dumm. Ist dir dies Vermeiden seines Namens, dies behutsame, verräterische Umgehen des ganzen Besuches, der doch bei weitem das Hauptsächlichste im Briefe war, nichts? Ich sage dir, Therese, ich wußte von nichts, da ich in die Stube trat, aber ich bin zusammengefahren und habe in der höchsten Spannung geharrt und geglaubt, jeder Laut werde das Geheimnis gebären; besonders auf dem Gesichte unserer Mutter wogte ja die ganz offene See der Empfindungen.«
Therese hatte nach und nach das Haupt erhoben und sah