Ungekürztes Werk "Ledwina" von Annette von Droste-Hülshoff (Seite 14)

nun peinlich hoffend nach Ledwina wie ein Kind auf den Vater, wenn es merkt, daß er ihm etwas schenken will.

»Nun, ich will es so denken, und ich kann ja nicht gut anders«, sagte sie verschämt, »aber bitte, bitte, nun nicht mehr davon reden!«

Nach einigen Augenblicken fuhr sie wieder trübe fort: »Man muß sich nicht so in eine Hoffnung eingraben, das Glück ist gar zu kugelrund.« Dann schwieg sie und faßte die Schale und den Teetopf, als wolle sie einschenken, sagte dann: »Ich komme gleich wieder« und ging hinaus, denn sie zitterte so sehr, daß sie den Topf nicht hatte heben können.

Nach einer langen Weile trat sie wieder mit leisen Schritten herein und blickte weit vorgebeugt mit angestrengter Sehkraft nach der Schwester hinüber, weil sie gedachte, sie möchte schlummern, und es nicht wagte, ihr zu nahen, um der frischen Abendluft willen, die aus ihren Kleidern duftete; denn sie war im Freien gewesen, tief, tief im Gebüsche und hatte sich einmal recht satt geweint und gestöhnt, und nun war sie wieder still und sorgsam wie vorher; denn diese süße, überteure Seele lebte ein doppeltes Leben, eins für sich, eins für andere, wovon das erstere nur zum Kampf für das letztere vortrat, nur daß es statt des Schwertes die Leidenspalme führte. So stand sie eine Weile. Kein Vorhang rauschte, aber ein tiefer, schwerer Atem zog hinüber und gab ihr mit der Gewißheit des Schlummers zugleich eine wehmütige Sorge. Sie setzte sich ganz still in ein Fenster. Die Sonne ging unter, und ihre letzten Strahlen standen auf einem Weidenbaum am jenseitigen Ufer. Der Abendwind regte seine Zweige, und so traten sie aus dem Glanz und erschienen in ihrer natürlichen Farbe, dann bogen sie sich wieder in die Goldglut zurück. Für Ledwinens krankes, über­reiztes Gemüt hätte dies flimmernde Naturspiel leicht zu einem finstern Bilde des Gefesseltseins in der sengenden Flamme, der man immer vergeblich zu entrinnen strebt, da der Fuß in dem qualvollen Boden wurzelt, ausarten können, aber Therese war es unbeschreiblich wohl geworden in Betrachtung des reinen wallenden Himmelsgoldes und überhaupt der lieblichen gefärbten Landschaft; ihre Gedanken waren ein leises und brünstiges Gebet geworden, und ihre Augen waren scharf auf den Abendglanz gerichtet, als sei hier die Scheidewand zwischen Himmel und Erde dünner; es war ihr auch, als zögen die Strahlen ihrer Seufzer mit hinauf, und sie legte das glühende Antlitz dicht an die Scheiben; aber wie die Sonne nun ganz dahin war und auch der Abendhimmel begann, ihre Farbe zu verleugnen, da sanken auch ihre Flügel, und sie ward wieder trüber und wußte nicht, warum.

Das Vieh zog langsam und brummend in den ­Hof­­raum, und zugleich stieg das Abendrot höher, und ein frischer Wind trieb die rosenfarbene Herde auch nach dem Schlosse hinüber. »Nun wird es gut«, sagte sie ziemlich laut, das Wetter meinend, und erschrak, daß sie der Schlummernden vergessen hatte. Aber eine unbeschreibliche Zuversicht kam in ihr Herz, und diese unwillkürlich ausgesprochenen Worte waren ihr wie durch Gottes Eingebung. Sie war von nun an völlig ruhig und blieb es bis zu der

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