Ungekürztes Werk "Ledwina" von Annette von Droste-Hülshoff (Seite 29)
bedenke einmal die Höhlenfrauen und Bergmännchen und Erdmännchen und die Gnomen, die den Leuten einen Buckel anzaubern. Ich fürchte, das würde keinen guten Effekt in deiner Figur machen.«
Man lachte, Türk und Louis mit.
»Einmal«, sagte Karl, »hätte ich doch beinahe geglaubt, ein Höhlengespenst zu sehen. Wir waren zu sechsen in eine Kluft am *** gestiegen. Die beiden Riehls, die beiden Herdrings, Rolling und ich. Die übrigen hatten sich müde gelaufen und lagen in einer schäbichten Bergkneipe. Der Eingang war niedrig und schmal, und sehr hoher Schwarzwald machte ihn noch dunkler. Wir waren kaum einige Schritte gegangen, als wir in dichter Finsternis standen. Unser Führer wollte also die mitgebrachten Fackeln anzünden. Das zögerte etwas.«
»Das war eine Unvorsichtigkeit von dem guten Mann«, rief Klemens Bendraet dazwischen, »das hätte er vor der Höhle tun sollen.«
Seine Mutter winkte ihm unwillig, und Karl fuhr fort: »Ich habe zu sagen vergessen, daß es etwas regnete; also, indem der Mann sich mit Feuerschlagen quält, höre ich, durch das Rufen meiner Begleiter, die den Schall versuchten, hindurch, etwas über den Boden rutschen, und plötzlich schlingt es sich mir um die Kniee und grunzt und zupft mir an den Kleidern und sucht mich niederzureißen. Ich gestehe, daß ich zusammenschauderte. ›Guter Freund‹, rief ich, ›macht, daß Ihr Licht bekommt! Hier ist etwas, aber ich will es halten.‹ Dabei griff ich nach nieder in einen struppichten Haarbusch oder Pelz, ich wußte nicht, was. Da fing es an zu grunzen und um sich zu schlagen und brummte: ›Ich rufe den Apostel Petrus.‹ – ›Wie, bist du da?‹ rief unser Führer; ›seien Sie nicht furchtsam, meine Herren, das ist nur so ein armes Blut, der tut Ihnen nichts.‹
Indem brannte die Fackel an, und ich erblickte einen zerlumpten, abgezehrten Kerl von etwa vierzig Jahren, der vor mir auf den Knieen lag und mich fest umklammert hatte. Ich hielt sein Haupt am Haar zurückgebogen, und das ockergelbe, entstellte Gesicht starrte mich grunzend an. Der Führer sagte: ›Sei doch ruhig, Seppi, das sind ja die lieben Apostel‹; und hier zeigte er auf den jüngsten Herdring mit den langen Locken und sagte: ›Sieh, das ist Maria Magdalena.‹ Der arme Kerl ließ mich gleich los und kroch bis in einen Winkel der Höhle, wo, wie wir nun sahen, etwas Stroh lag. Der Führer entschuldigte sich nachher, daß er uns nicht von diesem Wahnsinnigen gesagt. Er hielt sich für den Engel Gabriel und diese Höhle für das Grab Christi, das er bewache; er ließe niemand hinein als die Apostel und heiligen Frauen; dafür könnte sich aber jeder ausgeben. Er war krank gewesen, und unser Wirt hatte ihn noch nicht wieder in der Höhle geglaubt.«
»Der arme Kerl hatte eine höllisch langweilige Arbeit«, sagte Klemens.
»Dabei«, sagte Karl, »glaubte er als Engel nichts genießen zu dürfen als Kräuter und Früchte – anfangs roh – und was er im Gebirge fand. Nachher hatte man ihn unter dieser Rubrik an alle Arten von Gemüse und Obst gewöhnt, außer an Äpfel, die er für die Frucht vom Baume der Erkenntnis hielt, und Erbsen, warum diese nicht,