Ungekürztes Werk "Soll und Haben" von Gustav Freytag (Seite 554)

drohender. Er hielt die Hände in die Höhe, sein Auge starrte noch immer auf die Erscheinung vor ihm. Langsam löste sich die fremde Gestalt von dem Balken, es rauschte auf dem Wege, den er selbst gegangen war, das Gespenst trat ihm näher, wieder streckte sich die Hand nach ihm aus. Er sprang entsetzt weiter ab in den Strom. Noch ein Taumeln, ein lauter Schrei, der kurze Kampf eines Ertrinkenden, und alles war vorüber. Der Strom rollte dahin und führte den Körper des Leblosen mit sich.

An dem Rand des Flusses wurde es lebendig, Pechfackeln glänzten am Ufer, Waffen und verhüllte Uniformen blinkten im Schein der Lichter. Der Zuruf suchender Menschen wurde gehört, und vom Fuß der Treppe watete ein Mann längs dem Ufer und rief hinauf: »Er ist fortgetrieben, bevor ich ihn erreichen konnte, morgen wird er am Wehr zu finden sein.«

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Die Herberge des Löbel Pinkus wurde durchsucht, das geheime Magazin im Nebenhause mit Beschlag belegt; und da man die Beute zahlreicher alter und neuer Diebstähle darin angesammelt fand, wurde der Herbergsvater selbst ins Gefängnis gesetzt. Unter den aufgefundenen Gegenständen war auch die leere Kassette des Freiherrn; in einem verschlossenen Schrank der geheimen Höhle lagen im Winkel zusammengepackt die Ehrenscheine des Freiherrn, die beiden Hypothekeninstrumente über die ersten und die letzten zwanzigtausend Taler der Gutsschulden. In der Wohnung des Agenten Itzig fand sich ein Dokument, in welchem Pinkus versicherte, daß Veitel Itzig Eigentümer der ersten Hypothek sei. Der harte Sinn des Pinkus wurde durch die Untersuchungshaft erweicht; er gestand, was zu leugnen er nicht mehr großes Interesse hatte, daß er nur im Auftrag des Ertrunkenen dem Freiherrn das Geld gezahlt, und daß dieser in der Tat nicht mehr als zusammen ungefähr zehntausend Taler von Itzig erhalten habe. So erhielt der Freiherr auch sein Anrecht an die Hälfte der ersten Hypothek zurück.

Pinkus wurde zu langer Gefängnisstrafe verurteilt. Die stille Herberge ging ein, und Tinkeles, der das zweite Hundert gleich nach Itzigs Tod von Anton gefordert hatte, trug fortan sein Bündel und seinen Kaftan in einen andern Schlupfwinkel. Sein Gefühl für die Handlung erhielt durch die letzten Ereignisse eine Wärme, welche die Handlung veranlaßte, ihm gegenüber ungewöhnliche Vorsicht zu beobachten und einige große Geschäfte zurückzuweisen, die er jetzt durchaus mit ihr unternehmen wollte. Die natürliche Folge dieser Kälte war, daß Tinkeles um so höhere Achtung vor der Klugheit des Geschäfts erhielt und fortfuhr, dem Comtoir seine Besuche zu gönnen, ohne daß eine neue kühne Spekulation das gute Verhältnis unterbrach. Das Haus des Pinkus wurde verkauft, ein ehrlicher Färber zog hinein, und von der Galerie, an welcher einst die hagere Gestalt des jungen Veitel gelehnt hatte, hing jetzt blau und schwarz gefärbtes Garn hinunter bis in die trübe Flut.

Nach langen Verhandlungen mit dem Anwalt und der gedrückten Familie Ehrenthals empfing Anton im Wege des Vergleichs die Ehrenscheine und die letzte Hypothek gegen Zahlung der zwanzigtausend Taler zurück.

Unterdes kam der Subhastationstermin des Familiengutes heran. Noch vor dem Termin suchte ein Kauflustiger Anton auf, und Anton traf mit ihm unter Zuziehung seines Rechtsbeistands und mit

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