Ungekürztes Werk "Faust 2" von Johann Wolfgang Goethe (Seite 64)
style="margin-left:1.0cm;">So auch er, der Behendeste,
Daß er Dieben und Schälken,
Vorteilsuchenden allen auch
Ewig günstiger Dämon sei!
Dies betätigt er alsobald
Durch gewandteste Künste:
Schnell des Meeres Beherrscher stiehlt
Er den Trident, ja dem Ares selbst
Schlau das Schwert aus der Scheide,
Bogen und Pfeil dem Phöbus auch,
Wie dem Hephästos die Zange;
Selber Zeus, des Vaters, Blitz
Nähm er, schreckt ihn das Feuer nicht;
Doch dem Eros siegt er ob
In beinstellendem Ringerspiel,
Raubt auch Cyprien, wie sie ihm kost,
Noch vom Busen den Gürtel.
Ein reizendes, rein-melodisches Saitenspiel erklingt
aus der Höhle. Alle merken auf und scheinen bald innig gerührt.
Von hier an bis zur bemerkten Pause durchaus mit
vollstimmiger Musik.
PHORKYAS. Höret allerliebste Klänge!
Macht euch schnell von Fabeln frei!
Eurer Götter alt Gemenge,
Laßt es hin! es ist vorbei.
Niemand will euch mehr verstehen,
Fordern wir doch höhern Zoll:
Denn es muß von Herzen gehen,
Was auf Herzen wirken soll.
Sie zieht sich nach den Felsen zurück.
CHOR. Bist du, fürchterliches Wesen,
Diesem Schmeichelton geneigt,
Fühlen wir, als frisch genesen,
Uns zur Tränenlust erweicht.
Laß der Sonne Glanz verschwinden,
Wenn es in der Seele tagt:
Wir im eignen Herzen finden,
Was die ganze Welt versagt.
Helena, Faust, Euphorion in dem oben beschriebenen Kostüm.
EUPHORION. Hört ihr Kindeslieder singen,
Gleich ists euer eigner Scherz;
Seht ihr mich im Takte springen,
Hüpft euch elterlich das Herz.
HELENA. Liebe, menschlich zu beglücken,
Nähert sie ein edles Zwei;
Doch zu göttlichem Entzücken
Bildet sie ein köstlich Drei.
FAUST. Alles ist sodann gefunden:
Ich bin dein, und du bist mein,
Und so stehen wir verbunden;
Dürft es doch nicht anders sein!
CHOR. Wohlgefallen vieler Jahre
In des Knaben mildem Schein
Sammelt sich auf diesem Paare:
O wie rührt mich der Verein!
EUPHORION. Nun laßt mich hüpfen,
Nun laßt mich springen!
Zu allen Lüften
Hinaufzudringen,
Ist mir Begierde:
Sie faßt mich schon.
FAUST. Nur mäßig! mäßig!
Nicht ins Verwegne,
Daß Sturz und Unfall
Dir nicht begegne,
Zugrund uns richte
Der teure Sohn!
EUPHORION. Ich will nicht länger
Am Boden stocken:
Laßt meine Hände,
Laßt meine Locken,
Laßt meine Kleider!
Sie sind ja mein.
HELENA. O denk, o denke,
Wem du gehörest,
Wie es uns kränke,
Wie du zerstörest
Das schön errungene
Mein, Dein und Sein!
CHOR. Bald löst, ich fürchte,
Sich der Verein!
HELENA UND FAUST. Bändige, bändige,
Eltern zuliebe,
Überlebendige,
Heftige Triebe!
Ländlich im stillen
Ziere den Plan!
EUPHORION. Nur euch zu Willen
Halt ich mich an.
Durch den Chor sich schlingend und ihn zum Tanze fortziehend.
Leichter umschweb ich hie
Muntres Geschlecht.
Ist nun die Melodie,
Ist die Bewegung recht?
HELENA. Ja, das ist wohlgetan!
Führe die Schönen an
Künstlichem Reihn!
FAUST. Wäre das doch vorbei!
Mich kann die Gaukelei
Gar nicht erfreun.
Euphorion und Chor,
tanzend und singend, bewegen sich in verschlungenem Reihen.
CHOR. Wenn du der Arme Paar
Lieblich bewegest,
Im Glanz dein lockig Haar
Schüttelnd erregest,
Wenn dir der Fuß so leicht
Über die Erde schleicht,
Dort und da wieder hin
Glieder um Glied sich ziehn,
Hast du dein Ziel erreicht,
Liebliches Kind!
All unsre Herzen sind
All dir geneigt.