Ungekürztes Werk "Torquato Tasso" von Johann Wolfgang Goethe (Seite 11)

mehr ich horchte, mehr und mehr

Versank ich vor mir selbst, ich fürchtete,

Wie Echo an den Felsen zu verschwinden,

Ein Widerhall, ein Nichts, mich zu verlieren.

Prinzessin:

Und schienst noch kurz vorher so rein zu fühlen,

Wie Held und Dichter füreinander leben,

Wie Held und Dichter sich einander suchen

Und keiner je den andern neiden soll?

Zwar herrlich ist die liedeswerte Tat,

Doch schön ist’s auch, der Taten stärkste Fülle

Durch würd’ge Lieder auf die Nachwelt bringen.

Begnüge dich, aus einem kleinen Staate,

Der dich beschützt, dem wilden Lauf der Welt,

Wie von dem Ufer, ruhig zuzusehn.

Tasso:

Und sah ich hier mit Staunen nicht zuerst,

Wie herrlich man den tapfern Mann belohnt?

Als unerfahrner Knabe kam ich her,

In einem Augenblick, da Fest auf Fest

Ferrara zu dem Mittelpunkt der Ehre

Zu machen schien. Oh! welcher Anblick war’s!

Den weiten Platz, auf dem in ihrem Glanze

Gewandte Tapferkeit sich zeigen sollte,

Umschloß ein Kreis, wie ihn die Sonne nicht

So bald zum zweitenmal bescheinen wird.

Es saßen hier gedrängt die schönsten Frauen,

Gedrängt die ersten Männer unsrer Zeit.

Erstaunt durchlief der Blick die edle Menge;

Man rief: “Sie alle hat das Vaterland,

Das eine, schmale, meerumgebne Land,

Hierher geschickt. Zusammen bilden sie

Das herrlichste Gericht, das über Ehre,

Verdienst und Tugend je entschieden hat.

Gehst du sie einzeln durch, du findest keinen,

Der seines Nachbarn sich zu schämen brauche!” –

Und dann eröffneten die Schranken sich.

Da stampften Pferde, glänzten Helm und Schilde,

Da drängten sich die Knappen, da erklang

Trompetenschall, und Lanzen krachten splitternd,

Getroffen tönten Helm und Schilde, Staub,

Auf einen Augenblick, umhüllte wirbelnd

Des Siegers Ehre, des Besiegten Schmach.

O laß mich einen Vorhang vor das ganze,

Mir allzu helle Schauspiel ziehen, daß

In diesem schönen Augenblicke mir

Mein Unwert nicht zu heftig fühlbar werde.

Prinzessin:

Wenn jener edle Kreis, wenn jene Taten

Zu Müh und Streben damals dich entflammten,

So konnt ich, junger Freund, zu gleicher Zeit

Der Duldung stille Lehre dir bewähren.

Die Feste, die du rühmst, die hundert Zungen

Mir damals priesen und mir manches Jahr

Nachher gepriesen haben, sah ich nicht.

Am stillen Ort, wohin kaum unterbrochen

Der letzte Widerhall der Freude sich

Verlieren konnte, mußt ich manche Schmerzen

Und manchen traurigen Gedanken leiden.

Mit breiten Flügeln schwebte mir das Bild

Des Todes vor den Augen, deckte mir

Die Aussicht in die immer neue Welt.

Nur nach und nach entfernt’ es sich und ließ

Mich wie durch einen Flor die bunten Farben

Des Lebens, blaß, doch angenehm, erblicken.

Ich sah lebend’ge Formen wieder sanft sich regen.

Zum erstenmal trat ich, noch unterstützt

Von meinen Frauen, aus dem Krankenzimmer,

Da kam Lukretia voll frohen Lebens

Herbei und führte dich an ihrer Hand.

Du warst der erste, der im neuen Leben

Mir neu und unbekannt entgegentrat.

Da hofft ich viel für dich und mich; auch hat

Uns bis hierher die Hoffnung nicht betrogen.

Tasso:

Und ich, der ich, betäubt von dem Gewimmel

Des drängenden Gewühls, von so viel Glanz

Geblendet und von mancher Leidenschaft

Bewegt, durch stille Gänge des Palasts

An deiner Schwester Seite schweigend ging,

Dann in das Zimmer trat, wo du uns bald,

Auf deine Fraun gelehnt, erschienest – mir

Welch ein Moment war dieser! O vergib!

Wie den Bezauberten von Rausch und Wahn

Der Gottheit Nähe leicht und willig heilt,

So war auch ich von aller Phantasie,

Von jeder Sucht, von jedem falschen Triebe

Mit einem Blick in deinen Blick geheilt.

Wenn unerfahren die Begierde sich

Nach tausend Gegenständen sonst verlor,

Trat ich beschämt zuerst in mich zurück

Und lernte nun

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