Ungekürztes Werk "Torquato Tasso" von Johann Wolfgang Goethe (Seite 9)

der von Jugend auf dem Staat gedient,

Beherrscht ihn jetzt und wirkt auf jene Höfe,

Die er vor Jahren als Gesandter schon

Gesehen und gekannt und oft gelenkt.

Es liegt die Welt so klar vor seinem Blick

Als wie der Vorteil seines eignen Staats.

Wenn man ihn handeln sieht, so lobt man ihn

Und freut sich, wenn die Zeit entdeckt, was er

Im stillen lang bereitet und vollbracht.

Es ist kein schönrer Anblick in der Welt,

Als einen Fürsten sehn, der klug regieret;

Das Reich zu sehn, wo jeder stolz gehorcht,

Wo jeder sich nur selbst zu dienen glaubt,

Weil ihm das Rechte nur befohlen wird.

Leonore:

Wie sehnlich wünscht ich jene Welt einmal

Recht nah zu sehn!

Alfons: Doch wohl, um mitzuwirken?

Denn bloß beschaun wird Leonore nie.

Es wäre doch recht artig, meine Freundin,

Wenn in das große Spiel wir auch zuweilen

Die zarten Hände mischen könnten – Nicht?

Leonore zu Alfons:

Du willst mich reizen, es gelingt dir nicht.

Alfons:

Ich bin dir viel von andern Tagen schuldig.

Leonore:

Nun gut, so bleib ich heut in deiner Schuld!

Verzeih und störe meine Fragen nicht.

Zu Antonio:

Hat er für die Nepoten viel getan?

Antonio:

Nicht weniger noch mehr, als billig ist.

Ein Mächtiger, der für die Seinen nicht

Zu sorgen weiß, wird von dem Volke selbst

Getadelt. Still und mäßig weiß Gregor

Den Seinigen zu nutzen, die dem Staat

Als wackre Männer dienen, und erfüllt

Mit einer Sorge zwei verwandte Pflichten.

Tasso:

Erfreut die Wissenschaft, erfreut die Kunst

Sich seines Schutzes auch? und eifert er

Den großen Fürsten alter Zeiten nach?

Antonio: Er ehrt die Wissenschaft, sofern sie nutzt,

Den Staat regieren, Völker kennen lehrt;

Er schätzt die Kunst, sofern sie ziert, sein Rom

Verherrlicht und Palast und Tempel

Zu Wunderwerken dieser Erde macht.

In seiner Nähe darf nichts müßig sein!

Was gelten soll, muß wirken und muß dienen.

Alfons:

Und glaubst du, daß wir das Geschäfte bald

Vollenden können? daß sie nicht zuletzt

Noch hie und da uns Hindernisse streuen?

Antonio:

Ich müßte sehr mich irren, wenn nicht gleich

Durch deinen Namenszug, durch wenig Briefe

Auf immer dieser Zwist gehoben wäre.

Alfons:

So lob ich diese Tage meines Lebens

Als eine Zeit des Glückes und Gewinns.

Erweitert seh ich meine Grenze, weiß

Sie für die Zukunft sicher. Ohne Schwertschlag

Hast du’s geleistet, eine Bürgerkrone

Dir wohl verdient. Es sollen unsre Frauen

Vom ersten Eichenlaub am schönsten Morgen

Geflochten dir sie um die Stirne legen.

Indessen hat mich Tasso auch bereichert:

Er hat Jerusalem für uns erobert

Und so die neue Christenheit beschämt,

Ein weit entferntes, hoch gestecktes Ziel

Mit frohem Mut und strengem Fleiß erreicht.

Für seine Mühe siehst du ihn gekrönt.

Antonio:

Du lösest mir ein Rätsel. Zwei Bekränzte

Erblickt ich mit Verwundrung, da ich kam.

Tasso: Wenn du mein Glück vor deinen Augen siehst,

So wünscht ich, daß du mein beschämt Gemüt

Mit eben diesem Blicke schauen könntest.

Antonio:

Mir war es lang bekannt, daß im Belohnen

Alfons unmäßig ist, und du erfährst,

Was jeder von den Seinen schon erfuhr.

Prinzessin:

Wenn du erst siehst, was er geleistet hat,

So wirst du uns gerecht und mäßig finden.

Wir sind nur hier die ersten stillen Zeugen

Des Beifalls, den die Welt ihm nicht versagt

Und den ihm zehnfach künft’ge Jahre gönnen.

Antonio:

Er ist durch euch schon seines Ruhms gewiß.

Wer dürfte zweifeln, wo ihr preisen könnt?

Doch sage mir, wer druckte diesen Kranz

Auf Ariostens Stirne?

Leonore: Diese Hand.

Antonio:

Und sie hat wohl getan! Er ziert ihn schön,

Als ihn der Lorbeer selbst nicht zieren würde.

Wie die Natur die innig

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