Ungekürztes Werk "Torquato Tasso" von Johann Wolfgang Goethe (Seite 7)
sich Tasso. Er tritt zurück.
Leonore:
Du weigerst dich? Sieh, welche Hand den Kranz,
Den schönen, unverwelklichen, dir bietet!
Tasso:
O laßt mich zögern! Seh ich doch nicht ein,
Wie ich nach dieser Stunde leben soll.
Alfons:
In dem Genuß des herrlichen Besitzes,
Der dich im ersten Augenblick erschreckt.
Prinzessin: indem sie den Kranz in die Höhe hält:
Du gönnest mir die seltne Freude, Tasso,
Dir ohne Wort zu sagen, wie ich denke.
Tasso:
Die schöne Last aus deinen teuern Händen
Empfang ich knieend auf mein schwaches Haupt.
Er kniet nieder, die Prinzessin setzt ihm den Kranz auf
Leonore applaudierend:
Es lebe der zum erstenmal Bekränzte!
Wie zieret den bescheidnen Mann der Kranz!
Tasso steht auf
Alfons:
Es ist ein Vorbild nur von jener Krone,
Die auf dem Kapitol dich zieren soll.
Prinzessin:
Dort werden lautre Stimmen dich begrüßen;
Mit leiser Lippe lohnt die Freundschaft hier.
Tasso:
O nehmt ihn weg von meinem Haupte wieder,
Nehmt ihn hinweg! Er sengt mir meine Locken!
Und wie ein Strahl der Sonne, der zu heiß
Das Haupt mir träfe, brennt er mir die Kraft
Des Denkens aus der Stirne. Fieberhitze
Bewegt mein Blut. Verzeiht! Es ist zu viel!
Leonore:
Es schützet dieser Zweig vielmehr das Haupt
Des Manns, der in den heißen Regionen
Des Ruhms zu wandeln hat, und kühlt die Stirne.
Tasso:
Ich bin nicht wert, die Kühlung zu empfinden,
Die nur um Heldenstirnen wehen soll.
O hebt ihn auf, ihr Götter, und verklärt
Ihn zwischen Wolken, daß er hoch und höher
Und unerreichbar schwebe! daß mein Leben
Nach diesem Ziel ein ewig Wandeln sei!
Alfons:
Wer früh erwirbt, lernt früh den hohen Wert
Der holden Güter dieses Lebens schätzen;
Wer früh genießt, entbehrt in seinem Leben
Mit Willen nicht, was er einmal besaß;
Und wer besitzt, der muß gerüstet sein.
Tasso: Und wer sich rüsten will, muß eine Kraft
Im Busen fühlen, die ihm nie versagt.
Ach, sie versagt mir eben jetzt! Im Glück
Verläßt sie mich, die angeborne Kraft,
Die standhaft mich dem Unglück, stolz dem Unrecht
Begegnen lehrte. Hat die Freude mir,
Hat das Entzücken dieses Augenblicks
Das Mark in meinen Gliedern aufgelöst?
Es sinken meine Kniee! Noch einmal
Siehst du, o Fürstin, mich gebeugt vor dir!
Erhöre meine Bitte; nimm ihn weg!
Daß, wie aus einem schönen Traum erwacht,
Ich ein erquicktes neues Leben fühle.
Prinzessin: Wenn du bescheiden ruhig das Talent,
Das dir die Götter gaben, tragen kannst,
So lern auch diese Zweige tragen, die
Das Schönste sind, was wir dir geben können.
Wem einmal würdig sie das Haupt berührt,
Dem schweben sie auf ewig um die Stirne.
Tasso:
So laßt mich denn beschämt von hinnen gehn!
Laßt mich mein Glück im tiefen Hain verbergen,
Wie ich sonst meine Schmerzen dort verbarg.
Dort will ich einsam wandeln, dort erinnert
Kein Auge mich ans unverdiente Glück.
Und zeigt mir ungefähr ein klarer Brunnen
In seinem reinen Spiegel einen Mann,
Der, wunderbar bekränzt, im Widerschein
Des Himmels zwischen Bäumen, zwischen Felsen
Nachdenkend ruht: so scheint es mir, ich sehe
Elysium auf dieser Zauberfläche
Gebildet. Still bedenk ich mich und frage:
Wer mag der Abgeschiedne sein? der Jüngling
Aus der vergangnen Zeit? so schön bekränzt?
Wer sagt mir seinen Namen? sein Verdienst?
Ich warte lang und denke: Käme doch
Ein andrer und noch einer, sich zu ihm
In freundlichem Gespräche zu gesellen!
O säh ich die Heroen, die Poeten
Der alten Zeit um diesen Quell versammelt!
O säh ich hier sie immer unzertrennlich,
Wie sie im Leben fest verbunden waren!
So bindet der Magnet durch seine Kraft
Das Eisen mit dem Eisen fest zusammen,
Wie