Ungekürztes Werk "Torquato Tasso" von Johann Wolfgang Goethe (Seite 5)

Mißtraun, die, ich weiß es sicher,

Nicht seine Feinde sind. Begegnet ja,

Daß sich ein Brief verirrt, daß ein Bedienter

Aus seinem Dienst in einen andern geht,

Daß ein Papier aus seinen Händen kommt,

Gleich sieht er Absicht, sieht Verräterei

Und Tücke, die sein Schicksal untergräbt.

Prinzessin:

Laß uns, geliebter Bruder, nicht vergessen,

Daß von sich selbst der Mensch nicht scheiden kann.

Und wenn ein Freund, der mit uns wandeln sollte,

Sich einen Fuß beschädigte, wir würden

Doch lieber langsam gehn und unsre Hand

Ihm gern und willig leihen.

Alfons: Besser wär’s,

Wenn wir ihn heilen könnten, lieber gleich

Auf treuen Rat des Arztes eine Kur

Versuchten, dann mit dem Geheilten froh

Den neuen Weg des frischen Lebens gingen.

Doch hoff ich, meine Lieben, daß ich nie

Die Schuld des rauhen Arztes auf mich lade.

Ich tue, was ich kann, um Sicherheit

Und Zutraun seinem Busen einzuprägen.

Ich geb ihm oft in Gegenwart von vielen

Entschiedne Zeichen meiner Gunst. Beklagt

Er sich bei mir, so laß ich’s untersuchen,

Wie ich es tat, als er sein Zimmer neulich

Erbrochen glaubte. Läßt sich nichts entdecken,

So zeig ich ihm gelassen, wie ich’s sehe;

Und da man alles üben muß, so üb ich,

Weil er’s verdient, an Tasso die Geduld:

Und ihr, ich weiß es, steht mir willig bei.

Ich hab euch nun aufs Land gebracht und gehe

Heut abend nach der Stadt zurück. Ihr werdet

Auf einen Augenblick Antonio sehen;

Er kommt von Rom und holt mich ab. Wir haben

Viel auszureden, abzutun. Entschlüsse

Sind nun zu fassen, Briefe viel zu schreiben;

Das alles nötigt mich zur Stadt zurück.

Prinzessin:

Erlaubst du uns, daß wir dich hinbegleiten?

Alfons:

Bleibt nur in Belriguardo, geht zusammen

Hinüber nach Consandoli! Genießt

Der schönen Tage ganz nach freier Lust.

Prinzessin:

Du kannst nicht bei uns bleiben? die Geschäfte

Nicht hier so gut als in der Stadt verrichten?

Leonore:

Du führst uns gleich Antonio hinweg,

Der uns von Rom so viel erzählen sollte?

Alfons:

Es geht nicht an, ihr Kinder; doch ich komme

Mit ihm so bald, als möglich ist, zurück:

Dann soll er euch erzählen, und ihr sollt

Mir ihn belohnen helfen, der so viel

In meinem Dienst aufs neue sich bemüht.

Und haben wir uns wieder ausgesprochen,

So mag der Schwarm dann kommen, daß es lustig

In unsern Gärten werde, daß auch mir,

Wie billig, eine Schönheit in dem Kühlen,

Wenn ich sie suche, gern begegnen mag.

Leonore:

Wir wollen freundlich durch die Finger sehen.

Alfons:

Dagegen wißt ihr, daß ich schonen kann.

Prinzessin nach der Szene gekehrt:

Schon lange seh ich Tasso kommen. Langsam

Bewegt er seine Schritte, steht bisweilen

Auf einmal still, wie unentschlossen, geht

Dann wieder schneller auf uns los und weilt

Schon wieder.

Alfons: Stört ihn, wenn er denkt und dichtet,

In seinen Träumen nicht und laßt ihn wandeln.

Leonore:

Nein, er hat uns gesehn, er kommt hierher.

Dritter Auftritt

Die Vorigen. Tasso.

Tasso mit einem Buche, in Pergament geheftet:

Ich komme langsam, dir ein Werk zu bringen,

Und zaudre noch, es dir zu überreichen.

Ich weiß zu wohl, noch bleibt es unvollendet,

Wenn es auch gleich geendigt scheinen möchte.

Allein, war ich besorgt, es unvollkommen

Dir hinzugeben, so bezwingt mich nun

Die neue Sorge: möcht ich doch nicht gern

Zu ängstlich, möcht ich nicht undankbar scheinen.

Und wie der Mensch nur sagen kann: Hie bin ich!

Daß Freunde seiner schonend sich erfreuen,

So kann ich auch nur sagen: Nimm es hin!

Er übergibt den Band.

Alfons:

Du überraschest mich mit deiner Gabe

Und machst mir diesen schönen Tag zum Fest.

So halt

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