Ungekürztes Werk "Torquato Tasso" von Johann Wolfgang Goethe (Seite 35)

zweifelhaft. Was soll ich tun?

Ich merke wohl, es steckt der Irrtum an.

Tasso:

Soll ich dir glauben, denkst du gut für mich,

So wirke, was ich wünsche, was du kannst.

Der Fürst entläßt mich dann, und ich verliere

Nicht seine Gnade, seine Hülfe nicht.

Das dank ich dir und will dir’s gern verdanken.

Doch hegst du einen alten Groll im Busen,

Willst du von diesem Hofe mich verbannen,

Willst du auf ewig mein Geschick verkehren,

Mich hülflos in die weite Welt vertreiben,

So bleib auf deinem Sinn und widersteh!

Antonio:

Weil ich dir doch, o Tasso, schaden soll,

So wähl ich denn den Weg, den du erwählst.

Der Ausgang mag entscheiden, wer sich irrt!

Du willst hinweg! Ich sag es dir zuvor:

Du wendest diesem Hause kaum den Rücken,

So wird dein Herz zurückverlangen, wird

Dein Eigensinn dich vorwärtstreiben; Schmerz,

Verwirrung, Trübsinn harrt in Rom auf dich,

Und du verfehlest hier und dort den Zweck.

Doch sag ich dies nicht mehr, um dir zu raten;

Ich sage nur voraus, was bald geschieht,

Und lade dich auch schon im voraus ein,

Mir in dem schlimmsten Falle zu vertraun.

Ich spreche nun den Fürsten, wie du’s forderst.

Fünfter Auftritt

Tasso allein:

Ja, gehe nur, und gehe sicher weg,

Daß du mich überredest, was du willst.

Ich lerne mich verstellen, denn du bist

Ein großer Meister, und ich fasse leicht.

So zwingt das Leben uns zu scheinen, ja,

Zu sein wie jene, die wir kühn und stolz

Verachten konnten. Deutlich seh ich nun

Die ganze Kunst des höfischen Gewebes!

Mich will Antonio von hinnen treiben

Und will nicht scheinen, daß er mich vertreibt.

Er spielt den Schonenden, den Klugen, daß

Man nur recht krank und ungeschickt mich finde,

Bestellet sich zum Vormund, daß er mich

Zum Kind erniedrige, den er zum Knecht

Nicht zwingen konnte. So umnebelt er

Die Stirn des Fürsten und der Fürstin Blick.

 

Man soll mich halten, meint er: habe doch

Ein schön Verdienst mir die Natur geschenkt;

Doch leider habe sie mit manchen Schwächen

Die hohe Gabe wieder schlimm begleitet,

Mit ungebundnem Stolz, mit übertriebner

Empfindlichkeit und eignem düstern Sinn.

Es sei nicht anders, einmal habe nun

Den einen Mann das Schicksal so gebildet;

Nun müsse man ihn nehmen, wie er sei,

Ihn dulden, tragen und vielleicht an ihm,

Was Freude bringen kann, am guten Tage

Als unerwarteten Gewinst genießen,

Im übrigen, wie er geboren sei,

So müsse man ihn leben, sterben lassen.

 

Erkenn ich noch Alfonsens festen Sinn?

Der Feinden trotzt und Freunde treulich schützt,

Erkenn ich ihn, wie er nun mir begegnet?

Ja, wohl erkenn ich ganz mein Unglück nun!

Das ist mein Schicksal, daß nur gegen mich

Sich jeglicher verändert, der für andre fest

Und treu und sicher bleibt, sich leicht verändert

Durch einen Hauch, in einem Augenblick.

 

Hat nicht die Ankunft dieses Manns allein

Mein ganz Geschick zerstört in einer Stunde?

Nicht dieser das Gebäude meines Glücks

Von seinem tiefsten Grund aus umgestürzt?

O muß ich das erfahren, muß ich’s heut!

Ja, wie sich alles zu mir drängte, läßt

Mich alles nun; wie jeder mich an sich

Zu reißen strebte, jeder mich zu fassen,

So stößt mich alles weg und meidet mich.

Und das warum? Und wiegt denn er allein

Die Schale meines Werts und aller Liebe,

Die ich so reichlich sonst besessen, auf?

 

Ja, alles flieht mich nun. Auch du! Auch du!

Geliebte Fürstin, du entziehst dich mir!

In diesen trüben Stunden hat sie mir

Kein einzig Zeichen ihrer Gunst gesandt.

Hab ich’s um sie verdient?

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