Ungekürztes Werk "Torquato Tasso" von Johann Wolfgang Goethe (Seite 38)

erwerben, was ihm nun

Mit offnen Händen angeboten wird:

Er strengte seine Kräfte männlich an

Und fühlte sich von Schritt zu Schritt begnügt.

Ein armer Edelmann hat schon das Ziel

Von seinem besten Wunsch erreicht, wenn ihn

Ein edler Fürst zu seinem Hofgenossen

Erwählen will und ihn der Dürftigkeit

Mit milder Hand entzieht. Schenkt er ihm noch

Vertraun und Gunst und will an seine Seite

Vor andern ihn erheben, sei’s im Krieg,

Sei’s in Geschäften oder im Gespräch,

So, dächt ich, könnte der bescheidne Mann

Sein Glück mit stiller Dankbarkeit verehren.

Und Tasso hat zu allem diesem noch

Das schönste Glück des Jünglings: daß ihn schon

Sein Vaterland erkennt und auf ihn hofft.

O glaube mir, sein launisch Mißbehagen

Ruht auf dem breiten Polster seines Glücks.

Er kommt, entlaß ihn gnädig, gib ihm Zeit,

In Rom und in Neapel, wo er will,

Das aufzusuchen, was er hier vermißt

Und was er hier nur wiederfinden kann.

Alfons:

Will er zurück erst nach Ferrara gehn?

Antonio:

Er wünscht in Belriguardo zu verweilen.

Das Nötigste, was er zur Reise braucht,

Will er durch einen Freund sich senden lassen.

Alfons:

Ich bin’s zufrieden. Meine Schwester geht

Mit ihrer Freundin gleich zurück, und reitend

Werd ich vor ihnen noch zu Hause sein.

Du folgst uns bald, wenn du für ihn gesorgt.

Dem Kastellan befiehl das Nötige,

Daß er hier auf dem Schlosse bleiben kann,

Solang er will, so lang, bis seine Freunde

Ihm das Gepäck gesendet, bis wir ihm

Die Briefe schicken, die ich ihm nach Rom

Zu geben willens bin. Er kommt. Leb woh!’

Zweiter Auftritt

Alfons. Tasso.

Tasso mit Zurückhaltung:

Die Gnade, die du mir so oft bewiesen,

Erscheinet heute mir in vollem Licht.

Du hast verziehen, was in deiner Nähe

Ich unbedacht und frevelhaft beging;

Du hast den Widersacher mir versöhnt,

Du willst erlauben, daß ich eine Zeit

Von deiner Seite mich entferne, willst

Mir deine Gunst großmütig vorbehalten.

Ich scheide nun mit völligem Vertraun

Und hoffe still, mich soll die kleine Frist

Von allem heilen, was mich jetzt beklemmt.

Es soll mein Geist aufs neue sich erheben

Und auf dem Wege, den ich froh und kühn,

Durch deinen Blick ermuntert, erst betrat,

Sich deinen Gunst aufs neue würdig machen.

Alfons:

Ich wünsche dir zu deiner Reise Glück

Und hoffe, daß du froh und ganz geheilt

Uns wiederkommen wirst. Du bringst uns dann

Den doppelten Gewinst für jede Stunde,

Die du uns nun entziehst, vergnügt zurück.

Ich gebe Briefe dir an meine Leute,

An Freunde dir nach Rom und wünsche sehr,

Daß du dich zu den Meinen überall

Zutraulich halten mögest, wie ich dich

Als mein, obgleich entfernt, gewiß betrachte.

Tasso:

Du überhäufst, o Fürst, mit Gnaden den,

Der sich unwürdig fühlt und selbst zu danken

In diesem Augenblicke nicht vermag.

Anstatt des Danks eröffn ich eine Bitte!

Am meisten liegt mir mein Gedicht am Herzen.

Ich habe viel getan und keine Mühe

Und keinen Fleiß gespart; allein es bleibt

Zu viel mir noch zurück. Ich möchte dort,

Wo noch der Geist der großen Männer schwebt,

Und wirksam schwebt, dort möcht ich in die Schule

Aufs neue mich begeben; würdiger

Erfreute deines Beifalls sich mein Lied.

O gib die Blätter mir zurück, die ich

Jetzt nur beschämt in deinen Händen weiß!

Alfons:

Du wirst mir nicht an diesem Tage nehmen,

Was du mir kaum an diesem Tag gebracht.

Laß zwischen dich und zwischen dein Gedicht

Mich als Vermittler treten: hüte dich,

Durch strengen Fleiß die liebliche Natur

Zu kränken, die in deinen Reimen lebt,

Und höre nicht auf Rat von allen

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