Ungekürztes Werk "Der Abentheuerliche Simplicissimus Teutsch" von Hans Jakob Christoph von Grimmelshausen (Seite 132)

gottlos Leben allerdings ab und beflisse mich allein der Tugend und Frömmigkeit; ich gienge zwar wie zuvor wieder auf Partei, erzeigte mich aber gegen Freunden und Feinden so leutselig und diskret, daß all diejenige, so mir unter die Händ kamen, ein anders glaubten, als sie von mir gehört hatten; überdas hielt ich auch mit den überflüssigen Verschwendungen innen und sammlete mir viel schöne Dukaten und Kleinodien, welche ich hin und wieder in der Soestischen Börde auf dem Land in hohle Bäum verbarg, weil mir solches die bekannte Wahrsagerin zu Soest riete und mich versicherte, daß ich mehr Feind in derselben Stadt und unter meinem Regiment, als außerhalb und in den feindlichen Garnisonen hätte, die mir und meinem Geld nachstellten. Und indem man hin und her Zeitung hatte, daß der Jäger ausgerissen wäre, saße ich denen, die sich damit kützelten, wieder ohnversehens auf der Hauben; und ehe ein Ort recht erführ, daß ich an einem andern Schaden getan, empfande dasselbige schon, daß ich noch vorhanden war; denn ich fuhre herum wie ein Windsbraut, war bald hie bald dort, also daß man mehr von mir zu sagen wußte als zuvor, da sich noch einer vor mich ausgab.

Ich saße einsmals mit 25 Feurröhren nicht weit von Dorsten und paßte einer Konvoi mit etlichen Fuhrleuten auf, die nach Dorsten kommen sollte; ich hielte meiner Gewohnheit nach selbst Schildwacht, weil wir dem Feind nahe waren; da kam ein einziger Mann daher, fein ehrbar gekleidet, der redte mit ihm selbst und hatte mit seinem Meerrohr, das er in Händen trug, ein seltsam Gefecht; ich konnte nichts anders verstehen, als daß er sagte: »Ich will einmal die Welt strafen, es wolle mirs dann das große Numen nicht zugeben!« woraus ich mutmaßete, es möchte etwan ein mächtiger Fürst sein, der so verkleidterweis herumgienge, seiner Undertanen Leben und Sitten zu erkundigen, und sich nun vorgenommen hätte, solche (weil er sie vielleicht nicht nach seinem Willen gefunden) gebührend zu strafen: Ich gedachte: ›Ist dieser Mann vom Feind, so setzts ein gute Ranzion; wo nicht, so wiltu ihn so höflich traktieren, und ihm dadurch das Herz dermaßen abstehlen, daß es dir künftig dein Lebtag wohl bekommen soll‹, sprang derhalben hervor, präsentiert mein Gewehr mit aufgezogenem Hahnen und sagte: »Der Herr wird ihm belieben lassen, vor mir hin in Busch zu gehen, wofern er nicht als Feind traktiert sein will.« Er antwortet sehr ernsthaftig: »Solcher Traktation ist meinesgleichen nit gewohnt.« Ich aber dummelt ihn höflich fort und sagte: »Der Herr wird ihm nicht zuwider sein lassen, sich vor diesmal in die Zeit zu schicken«, und als ich ihn in den Busch zu meinen Leuten gebracht und die Schildwachten wieder besetzt hatte, fragte ich ihn, wer er seie? Er antwortet gar großmütig, es würde mir wenig daran gelegen sein, wenn ichs schon wüßte, er sei auch ein großer Gott! Ich gedachte, er möchte mich vielleicht kennen und etwan ein Edelmann von Soest sein, und so sagen mich zu hetzen, weil man die Soester mit dem großen Gott und seinem güldenen Fürtuch zu vexieren

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