Ungekürztes Werk "Der Abentheuerliche Simplicissimus Teutsch" von Hans Jakob Christoph von Grimmelshausen (Seite 3)

zu seiner Perfektion mehr Zeit brauchet, als ein künstlicher Maler zu seinen trefflichsten Kunststücken erfordert; die Tapezereien waren das zärteste Geweb auf dem ganzen Erdboden, dann diejenige machte uns solche, die sich vor alters vermaß, mit der Minerva selbst um die Wett zu spinnen; seine Fenster waren keiner anderer Ursachen halber dem Sant Nitglas gewidmet, als darum, dieweil er wußte, daß ein solches, vom Hanf oder Flachssamen an zu rechnen, bis es zu seiner vollkommenen Verfertigung gelangt, weit mehrere Zeit und Arbeit kostet, als das beste und durchsichtigste Glas von Muran, dann sein Stand macht ihm ein Belieben zu glauben, daß alles dasjenige, was durch viel Mühe zuwegen gebracht würde, auch schätzbar und desto köstlicher sei, was aber köstlich seie, das seie auch dem Adel am anständigsten; anstatt der Pagen, Lakaien und Stallknecht hatte er Schaf, Böcke und Säu, jedes fein ordenlich in seine natürliche Liberei gekleidet, welche mir auch oft auf der Weid aufgewartet, bis ich sie heimgetrieben. Die Rüst- oder Harnischkammer war mit Pflügen, Kärsten, Äxten, Hauen, Schaufeln, Mist- und Heugabeln genugsam versehen, mit welchen Waffen er sich täglich übet; dann Hacken und Reuten war seine disciplina militaris, wie bei den alten Römern zu Friedenszeiten, Ochsen anspannen war sein hauptmannschaftliches Kommando, Mist ausführen sein Fortifikationwesen, und Ackern sein Feldzug, Stallausmisten aber sein adeliche Kurzweil und Turnierspiel; hiermit bestritte er die ganze Weltkugel, soweit er reichen konnte, und jagte ihr damit alle Ernt ein reiche Beut ab. Dieses alles setze ich hindan und überhebe mich dessen ganz nicht, damit niemand Ursach habe, mich mit andern meinesgleichen neuen Nobilisten auszulachen, dann ich schätze mich nicht besser, als mein Knan war, welcher diese seine Wohnung an einem sehr lustigen Ort, nämlich im Spessert liegen hatte, allwo die Wölf einander gute Nacht geben. Daß ich aber nichts Ausführliches von meines Knans Geschlecht, Stammen und Namen vor diesmal doziert, geschieht um geliebter Kürze willen, vornehmlich, weil es ohnedas allhier um keine adeliche Stiftung zu tun ist, da ich soll auf schwören; genug ists, wann man weiß, daß ich im Spessert geboren bin.

Gleichwie nun aber meines Knans Hauswesen sehr adelich vermerkt wird, also kann ein jeder Verständiger auch leichtlich schließen, daß meine Auferziehung derselben gemäß und ähnlich gewesen; und wer solches davorhält, findet sich auch nicht betrogen, dann in meinem zehenjährigen Alter hatte ich schon die principia in obgemeldten meines Knans adelichen Exerzitien begriffen, aber der Studien halber konnte ich neben dem berühmten Amplistidi hin passieren, von welchem Suidas meldet, daß er nicht über fünfe zählen konnte; dann mein Knan hatte vielleicht einen viel zu hohen Geist und folgte dahero dem gewöhnlichen Gebrauch jetziger Zeit, in welcher viel vornehme Leut mit Studieren, oder wie sie es nennen, mit Schulpossen sich nicht viel bekümmern, weil sie ihre Leut haben, der Plackscheißerei abzuwarten. Sonst war ich ein trefllicher Musikus auf der Sackpfeifen, mit deren ich schöne Jalemigesäng machen konnteSackpfeife Aber die Theologiam anbelangend, laß ich mich nicht bereden, daß einer meines Alters damals in der ganzen Christenwelt gewest seie, der mir darin hätte gleichen mögen, dann

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