Ungekürztes Werk "Der Abentheuerliche Simplicissimus Teutsch" von Hans Jakob Christoph von Grimmelshausen (Seite 203)
mich mit Gelegenheit auf den Rhein zu setzen, mit Kaufleuten wieder nach Köln zu begeben, und von dort aus meinen Weg zu meinem Weib zu nehmen; das Vorhaben war gut, aber der Anschlag fehlte weit!
Da ich das erstemal mit meiner Quacksalberei vor eine Kirche kam und feilhatte, war die Losung gar schlecht, weil ich viel zu blöd war, mir auch sowohl die Sprach als storgerische Aufschneiderei nicht vonstatten gehen wollte; sahe demnach gleich, daß ichs anderst angreifen müßte, wenn ich Geld einnehmen wollte. Ich gieng mit meinem Kram in das Wirtshaus und vernahm über Tisch vom Wirt, daß den Nachmittag allerhand Leut unter der Linden vor seinem Haus zusammenkommen würden, da dürfte ich dann wohl so etwas verkaufen, wenn ich gute War hätte; allein gebe es der Betrüger so viel im Land, daß die Leut gewaltig mit dem Geld zurückhielten, wenn sie keine gewisse Prob vor Augen sähen, daß der Theriak ausbündig gut wäre. Als ich dergestalt vernahm, wo es mangelte, bekam ich ein halbes Trinkgläslein voll guten Straßburger Branntewein und fieng eine Art Krotten, die man Reling oder Möhmlein nennet, so im Frühling und Sommer in den unsaubern Pfützen sitzen und singen, sind goldgelb oder fast rotgelb und unden am Bauch schwarzgescheckigt, gar unlustig anzusehen: Ein solches setzt ich in ein Schoppenglas mit Wasser und stellts neben meine War auf einen Tisch unter der Linden. Wie sich nun die Leut anfiengen zu versammlen und um mich herumstunden, vermeinten etliche, ich würde mit der Kluft, so ich von der Wirtin aus ihrer Küchen entlehnt, die Zähn ausbrechen; ich aber fieng an: »Ihr Herrn und gueti Freund (dann ich konnte noch gar wenig Französisch reden) bin ich kein Brech dir-die-Zahn-aus, allein hab ich gut Wasser vor die Aug, es mach all die Flüß aus die rode Aug.« »Ja«, antwortet einer, »man siehets an Euren Augen wohl, die sehen ja aus, wie zween Irrwisch.« Ich sagte: »Das ist wahr; wann ich aber der Wasser vor mich nicht hab, so wär ich wohl gar blind werd; ich verkauf sonst der Wasser nit; der Theriak und der Pulver vor die weiße Zähn, und das Wundsalb will ich verkauf, und der Wasser noch dazu schenk; ich bin kein Schreier oder Bescheiß-dir-die-Leut, hab ich mein Theriak feil; wann ich sie habe probiert und sie dir nit gefallt, so darfst du sie mir nit kaufab.« Indem lief ich einen von dem Umstand eins von meinen Theriakbüchslein auswählen, aus demselben tät ich etwan einer Erbsen groß in meinen Branntewein, den die Leut vor Wasser ansahen, zertrieb ihn darin, und kriegte hierauf mit der Kluft das Möhmlein aus dem Glas mit Wasser, und sagte: »Secht ihr gueti Freund, wann dies giftig Wurm kann mein Theriak trink, und sterbe nit, so ist der Ding nit nutz, dann kauf ihr mir nit ab«. Hiemit steckte ich die arme Krott, welche im Wasser geboren und erzogen und kein ander Element oder Liquor leiden konnte, in meinen Branntewein und hielte es mit einem Papier zu, daß es nit herausspringen konnte; da fieng es