Ungekürztes Werk "Der Abentheuerliche Simplicissimus Teutsch" von Hans Jakob Christoph von Grimmelshausen (Seite 202)
mehr im Haus wollte leiden. Ich hatte mein stattlich Kleid noch, das ich mir auf die Reis machen lassen, samt einem Felleisen voll kostbar Leinengezeug, das mir aber niemand abkaufen wollte, weil jeder sorgte, ich möchte ihm auch eine Krankheit damit an Hals henken. Solches nahm ich auf den Buckel, den Degen in die Hand, und den Weg unter die Füß, der mich in ein klein Städtlein trug, so gleichwohl ein eigene Apotheck vermochte; in dieselbe gieng ich, und ließ mir eine Salbe zurichten, die mir die Urschlechtenmäler im Gesicht vertreiben sollten, und weil ich kein Geld hatte, gab ich dem Apotheckergesellen ein schön zart Hemd davor, der nit so eckel war, wie andere Narren, so keine Kleider von mir haben wollten. Ich gedachte, wenn du nur der schandlichen Flecken los wirst, so wird sichs schon auch wieder mit deinem Elend bessern; und weil mich der Apothecker tröstete, man würde mir über acht Tag, ohne die tiefe Narben, so mir die Purpeln in die Haut gefressen, wenig mehr ansehen, war ich schon beherzter. Es war eben Markt daselbst, und auf demselben befand sich ein Zahnbrecher, der trefflich Geld lösete, da er doch liederlich Ding den Leuten dafür anhängte. »Narr«, sagte ich zu mir selber, »was machst du, daß du nicht auch so einen Kram aufrichtest? bist du so lang bei Monsigneur Canard gewest und hast nit so viel gelernt, ein einfältigen Bauren zu betrügen, und dein Maulfutter davon zu gewinnen, so mußt du wohl ein elender Tropf sein.«
Das 8. Kapitel
Wie er ein landfahrender Storger und Leutbetrüger worden.
Ich mochte damals fressen wie ein Drescher, dann mein Magen war nicht zu ersättigen, wiewohl ich nichts mehr im Vorrat hatte, als noch einen einzigen güldenen Ring mit einem Demant, der etwa zwanzig Kronen wert war; den versilberte ich um zwölfe, und demnach ich mir leicht einbilden konnte, daß dies bald aus sein würde, da ich nichts dazu gewinnete, resolviert ich mich, ein Arzt zu werden. Ich kaufte mir die Materialia zu dem Theriaca Diatessaron und richtete mir denselben zu; alsdann machte ich aus Kräutern, Wurzeln, Butter und etlichen Olitäten eine grüne Salbe zu allerhand Wunden, damit man auch wohl ein gedruckt Pferd hätte heilen können; item aus Galmei, Kieselsteinen, Krebsaugen, Schmirgel und Trippel ein Pulver, weiße Zähn damit zu machen; ferner ein blau Wasser aus Lauge, Kupfer, Sal armoniacum und Camphor vor den Scharbock, Mundfäule, Zähn- und Augenwehe, bekam auch ein Haufen blecherne und hölzerne Büchslein, Papier und Gläslein, meine War dareinzuschmieren, und damit es auch ein Ansehen haben möchte, ließe ich mir einen französischen Zettel konzipieren und drucken, darinnen man sehen konnte, worzu ein und anders gut war. In dreien Tagen war ich mit meiner Arbeit fertig und hatte kaum drei Kronen in die Apotheck und vor Geschirr angewendet, da ich dies Städtlein verließe. Also packte ich auf, und nahm mir vor, von einem Dorf zum andern bis in das Elsaß hinein zu wandern, und meine War unterwegs an Mann zu bringen, folgends zu Straßburg, als in einer neutralen Stadt,