Ungekürztes Werk "Der Abentheuerliche Simplicissimus Teutsch" von Hans Jakob Christoph von Grimmelshausen (Seite 207)
auffienge, zumal sie sich trefflich gemehret hatten, als kam das Wasser wieder auf meine Mühl, maßen es das Ansehen hatte, als ob es mit Hasen schneihete, oder ich in meine Strick bannen könnte. Da die Offizier sahen, daß man mir trauen dürfte, wurde ich auch mit andern hinaus auf Partei gelassen; da fienge ich nun mein Soestisch Leben wieder an, außer daß ich keine Parteien führen und kommandieren dürfte, wie hiebevor in Westfalen; denn es war vonnöten, zuvor Weg und Steg zu wissen, und den Rheinstrom zu kennen.
Das 10. Kapitel
Simplicius überstehet ein unlustig Bad im Rhein.
Noch ein paar Stücklein will ich erzählen, ehe ich sage, wie ich wieder von der Muskete erlöset worden; eins von großer Leib- und Lebensgefahr, daraus ich durch Gottes Gnad entronnen, das ander von der Seelengefahr, darinnen ich hartnäckiger Weis steckenbliebe, denn ich will meine Untugenden so wenig verhehlen als meine Tugenden, damit nicht allein meine Histori ziemlich ganz sei, sondern der ohngewanderte Leser auch erfahre, was vor seltsame Kauzen es in der Welt gibt.
Wie zu End des vorigen Kapitels gemeldet, so dorfte ich auch mit andern auf Partei, so in Garnisonen nit jedem liederlichen Kunden, sondern rechtschaffenen Soldaten gegönnet wird. Also giengen nun unser neunzehn einsmals miteinander durch die Undermarkgrafschaft hinauf, oberhalb Straßburg einem Baslerischen Schiff aufzupassen, worbei heimlich etliche weimarische Offizierer und Güter sein sollten. Wir kriegten überhalb Ottenheim ein Fischernachen, uns damit überzusetzen und in ein Werd zu legen, so gar vortelhaftig lag, die ankommende Schiff ans Land zu zwingen, maßen zehen von uns durch den Fischer glücklich übergeführt wurden; als aber einer aus uns, der sonst wohl fahren konnte, die übrigen neune, darunter ich mich befande, auch holte, schlug der Nachen ohnversehens um, daß wir also urplötzlich miteinander im Rhein lagen. Ich sahe mich nit viel nach den andern um, sondern gedachte auf mich selbst. Ob ich mich nun zwar aus allen Kräften spreizte und alle Vörtel der guten Schwimmer brauchte, so spielte dennoch der Strom mit mir wie mit einem Ballen, indem er mich bald über, bald under sich in Grund warf; ich hielte mich so ritterlich, daß ich oft über sich kam, Atem zu schöpfen; wäre es aber um etwas kälter gewesen, so hätte ich mich nimmermehr so lang enthalten und mit dem Leben entrinnen können: Ich versuchte oft ans Ufer zu gelangen, so mir aber die Würbel nit zuließen, als die mich von einer Seite zur andern warfen, und ob ich zwar in Kürze unter Goldscheur kam, so wurde mir doch die Zeit so lang, daß ich schier an meinem Leben verzweifelte. Demnach ich aber die Gegend bei dem Dorf Goldscheur passiert hatte und mich bereits drein ergeben, ich würde meinen Weg durch die Straßburger Rheinbrücke entweder tot oder lebendig nemmen müssen, wurde ich eines großen Baums gewahr, dessen Äste unweit vor mir aus dem Wasser herfürreichten; der Strom gieng streng, und recta drauf zu, derhalben wandte ich alle übrige Kräften an, den Baum zu erlangen, welches mir denn trefflich glückte, also daß ich beides, durchs Wasser