Ungekürztes Werk "Der Abentheuerliche Simplicissimus Teutsch" von Hans Jakob Christoph von Grimmelshausen (Seite 209)

an, diesen Burschen vorzulügen, daß der Himmel hätte erschwarzen mögen; denn ich dachte, wenn du ihnen sagst, daß du sie hast plündern helfen wollen, so schmeißen sie dich alsbald wieder in Rhein; gab mich also vor einen vertriebenen Organisten aus und sagte, nachdem ich auf Straßburg gewollt, um über Rhein irgendeinen Schul- oder andern Dienst zu suchen, hätte mich eine Partei erdappt, ausgezogen, und in den Rhein geworfen, welcher mich auf gegenwärtigen Baum geführt. Und nachdem ich diese meine Lügen wohl füttern konnte, zumalen auch mit Schwüren bekräftigte, wurde mir geglaubt, und mit Speis und Trank alles Gutes erwiesen, mich wieder zu erquicken, wie ichs denn trefflich vonnöten hatte.

Beim Zoll zu Straßburg stiegen die meiste ans Land und ich mit ihnen, da ich mich denn gegen dieselbe hoch bedankte und unter andern eines jungen Kaufherrn gewahr wurde, dessen Angesicht, Gang und Gebärden mir zu erkennen gaben, daß ich ihn zuvor mehr gesehen, konnte mich aber nicht besinnen, wo? vernahm aber an der Sprach, daß es eben derjenige Kornett war, so mich hiebevor gefangen bekommen; ich wußte aber nicht zu ersinnen, wie [er] aus einem so braven jungen Soldaten zu einem Kaufmann worden, vornehmlich weil er ein geborner Cavallier war; die Begierde zu wissen, ob mich meine Augen und Ohren betrügen oder nicht, trieben mich dahin, daß ich zu ihm gieng und sagte: »Monsieur Schönstein, ist ers, oder ist ers nicht?« Er aber antwort: »Ich bin keiner von Schönstein, sondern ein Kaufmann«; da sagte ich: »So bin ich auch kein Jäger von Soest nit, sondern ein Organist, oder vielmehr ein landläufiger Bettler!« »O Bruder«, sagt hingegen jener, »was Teufels machst du, wo ziehest du herum?« Ich sagte: »Bruder, wenn du vom Himmel versehen bist, mir das Leben erhalten zu helfen, wie nun zum zweitenmal geschehen ist, so erfordert ohn Zweifel mein fatum, daß ich alsdenn nit weit von dir seie.« Hierauf nahmen wir einander in die Arm, als zwei getreue Freund, die hiebevor beiderseits versprochen, einander bis in Tod zu lieben. Ich mußte bei ihm einkehren, und alles erzählen, wie mirs ergangen, sint ich von L. nach Köln verreist, meinen Schatz abzuholen, verschwieg ihm auch nit, wasgestalt ich mit einer Partei ihrem Schiff hätte aufpassen wollen, und wie es uns drüber ergieng; aber wie ich zu Paris gehaust, davon schwieg ich stockstill, denn ich sorgte, er möchte es zu L. ausbringen und mir deswegen bei meinem Weib einen bösen Rauch machen. Hingegen vertraute er mir, daß er von der hessischen Generalität zu Herzog Bernhard, dem Fürsten von Weimar, geschickt worden, wegen allerhand Sachen von großer Importanz, das Kriegswesen betreffend, Relation zu tun, und künftiger Kampagne und Anschläg halber zu konferieren, welches er nunmehr verrichtet, und in Gestalt eines Kaufmanns, wie ich denn vor Augen sähe, auf der Zuruckreis begriffen seie: Benebens erzählte er mir auch, daß meine Liebste bei seiner Abreis großes Leibs, und neben ihren Eltern und Verwandten noch in gutem Wohlstand gewesen; item daß mir der Obrist das Fähnlein noch aufhalte, und vexierte mich daneben, weil mich die Urschlechten

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