Ungekürztes Werk "Der Abentheuerliche Simplicissimus Teutsch" von Hans Jakob Christoph von Grimmelshausen (Seite 210)

so verderbt hätten, daß mich weder mein Weib noch das andere Frauenzimmer zu L. vor den Jäger mehr annemmen werde, etc. Demnach redten wir miteinander ab, daß ich bei ihm verbleiben und mit solcher Gelegenheit wieder nach L. kehren sollte, so ein erwünschte Sach vor mich war. Und weil ich nichts als Lumpen an mir hatte, streckt er mir etwas an Geld vor, damit ich mich wie ein Gadendiener mondierte.

Man sagt aber, wenn ein Ding nit sein soll, so geschichts nicht, das erfuhr ich auch; denn da wir den Rhein hinunderfuhren und das Schiff zu Rheinhausen visitiert wurde, erkannten mich die Philippsburger, welche mich wieder anpackten und nach Philippsburg führten, allda ich wieder wie zuvor einen Musketierer abgeben mußte, welches meinen guten Kornett ja so sehr verdroß als mich selbsten, weil wir sich wieder scheiden mußten; so dorfte er sich auch meiner nicht hoch annehmen, denn er hatt mit ihm selbst zu tun, sich durchzubringen.

Das 11. Kapitel

Warum die Geistliche keine Hasen essen sollen, die mit Stricken gefangen worden.

Also hat nun der günstige Leser vernommen, in was vor einer Lebensgefahr ich gesteckt; betreffend aber die Gefahr meiner Seelen, ist zu wissen, daß ich unter meiner Muskete ein rechter wilder Mensch war, der sich um Gott und sein Wort nichts bekümmerte, keine Bosheit war mir zuviel; da waren alle Gnaden und Wohltaten, die ich von Gott jemals empfangen, allerdings vergessen; so bat ich auch weder um das Zeitlich noch Ewig, sondern lebte auf den alten Kaiser hinein wie ein Viehe. Niemand hätte mir glauben können, daß ich bei einem so frommen Einsiedel wäre erzogen worden; selten kam ich in die Kirch, und gar nicht zur Beicht, und gleichwie mir meiner Seelen Heil nichts anlag, als betrübte ich meinen Nebenmenschen desto mehr: Wo ich nur jemand berücken konnte, unterließ ichs nit, ja ich wollte noch Ruhm davon haben, so daß schier keiner ohngeschimpft von mir kam; davon kriegte ich oft dichte Stöß, und noch öfter den Esel zu reuten, ja man bedrohete mich mit Galgen und Wippe; aber es half alles nichts, ich trieb meine gottlose Weis fort, daß es das Ansehen hatte, als ob ich das desperat spielte und mit Fleiß der Höllen zurennete. Und ob ich gleich keine Übeltat begieng, dadurch ich das Leben verwürkt hätte, so war ich jedoch so ruchlos, daß man (außer den Zauberern und Sodomiten) kaum einen wüstern Menschen antreffen mögen.

Dies nahm unser Regimentskaplan an mir in acht, und weil er ein rechter frommer Seeleneiferer war, schickte er auf die Österliche Zeit nach mir, zu vernehmen, warum ich mich nicht bei der Beicht und Kommunion eingestellt hätte? Ich traktierte ihn aber nach seinen vielen treuherzigen Erinnerungen, wie hiebevor den Pfarrer zu L. Also daß der gute Herr nichts mit mir ausrichten konnte. Und indem es schiene, als ob Christus und Tauf an mir verloren wäre, sagte er zum Beschluß: »Ach du elender Mensch! ich habe vermeint, du irrest aus Unwissenheit, aber nun merke ich, daß du aus lauter Bosheit, und gleichsam vorsätzlicherweis zu sündigen fortfährest.

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