Ungekürztes Werk "Der Abentheuerliche Simplicissimus Teutsch" von Hans Jakob Christoph von Grimmelshausen (Seite 212)

ich mußte sorgen, er würde der Welt Lauf nach sich meiner schämen, oder mich sonst nit kennen wollen, weil er den Kleidern nach in einem hohen Stand, ich aber nur ein lausiger Musketier wäre. Nachdem ich aber abgelöst wurde, erkundigte ich bei dessen Dienern seinen Stand und Namen, damit ich versichert seie, daß ich vielleicht keinen andern vor ihn anspräche, und hatte dennoch das Herz nit, ihn anzureden, sondern schrieb dieses Brieflein und ließ es ihm am Morgen durch seinen Kammerdiener einhändigen:

Monsieur, etc. Wenn meinem Hochg. Herrn beliebte, denjenigen, den er hiebevor durch seine Dapferkeit in der Schlacht bei Wittstock aus Eisen und Banden errettet, auch anjetzo durch sein vortrefflich Ansehen aus dem allerarmseligsten Stand von der Welt zu erlösen, wohinein er als ein Ball des unbeständigen Glücks geraten; so würde Ihm solches nicht allein nicht schwer fallen, sondern er würde Ihm auch vor einen ewigen Diener obligiern Seinen ohnedas getreu-verbundenen, anjetzo aber allerelendesten und verlassenen

S. Simplicissimum.

Sobald er solches gelesen, ließ er mich zu ihm hineinkommen, sagt er: »Landsmann, wo ist der Kerl, der Euch dies Schreiben gegeben?« Ich antwort: »Herr, er liegt in hiesiger Festung gefangen.« »Wohl«, sagt er, »so gehet zu ihm und sagt, ich woll ihm davonhelfen, und sollt er schon den Strick an Hals kriegen.« Ich sagte: »Herr, es wird solcher Mühe nit bedürfen, ich bin der arme Simplicius selbsten, der jetzt kommt, Demselben sowohl vor die Erlösung bei Wittstock zu danken, als Ihn zu bitten, mich wieder von der Musket zu erledigen, so ich wider meinen Willen zu tragen gezwungen würde.« Er ließe mich nit völlig ausreden sondern bezeugte mit Umfahen, wie geneigt er seie, mir zu helfen; in Summa, er tät alles was ein getreuer Freund gegen dem andern tun solle, und ehe er mich fragte, wie ich in die Festung und in solche Dienstbarkeit geraten? schickte er seinen Diener zum Juden, Pferd und Kleider vor mich zu kaufen; indessen erzählte ich ihm, wie mirs ergangen, sint sein Vatter vor Magdeburg gestorben, und als er vernahm, daß ich der Jäger von Soest (von dem er so manch rühmlich Soldatenstück gehöret) gewesen, beklagte er, daß er solches nit ehe gewußt hätte, denn er mir damals gar wohl zu einer Kompagnie hätte verhelfen können.

Als nun der Jud mit einer ganzen Taglöhnerlast von allerhand Soldatenkleidern daherkam, lase er mir das beste heraus, ließ michs anziehen und nahm mich mit ihm zum Obristen, zu dem sagte er: »Herr, ich hab in Seiner Garnison gegenwärtigen Kerl angetroffen, dem ich so hoch verobligiert bin, daß ich ihn in so niedrigem Stand, wennschon seine Qualitäten keinen bessern meritierten, nit lassen kann; bitte derowegen den Herrn Obristen, Er wolle mir den Gefallen erweisen und ihn entweder besser akkommodieren oder zulassen, daß ich ihn mit mir nemme, um ihm bei der Armee fortzuhelfen, worzu vielleicht der Herr Obriste hier die Gelegenheit nit hat.« Der Obrist verkreuzigte sich vor Verwunderung, daß er mich einmal loben hörte, und sagte: »Mein hochgeehrter Herr vergeb mir, wenn ich glaube, Ihm beliebe nur zu probieren, ob ich

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