Ungekürztes Werk "Der Abentheuerliche Simplicissimus Teutsch" von Hans Jakob Christoph von Grimmelshausen (Seite 211)
Ach wer vermeinst du wohl, der ein Mitleiden mit deiner armen Seel und ihrer Verdammnus haben werde. Meinesteils protestiere ich vor Gott und der Welt, daß ich an deiner Verdammnus keine Schuld haben will, weil ich getan, und noch ferner gern unverdrossen tun wollte, was zu Beförderung deiner Seligkeit vonnöten wäre. Es wird mir aber besorglich künftig mehrers zu tun nit obliegen, denn daß ich deinen Leib, wenn ihn deine arme Seel in solchem verdammten Stand verläßt, an kein geweiht Ort zu andern frommen abgestorbenen Christen begraben, sondern auf den Schindwasen bei die Cadavera des verreckten Viehs hinschleppen lasse, oder an denjenigen Ort, da man andere Gottsvergessene und Verzweifelte hintut!«
Diese ernstliche Bedrohung fruchtete ebensowenig, als die vorige Ermahnungen, und zwar nur der Ursach halber, weil ich mich vorm Beichten schämte. O ich großer Narr! Ich erzählte oft meine Bubenstück bei ganzen Gesellschaften, und log noch dazu; aber jetzt, da ich mich bekehren, und einem einigen Menschen, an Gottes Statt, meine Sünden demütig bekennen sollte, Vergebung zu empfangen, war ich ein verstockter Stumm! Ich sage recht, verstockt, blieb auch verstockt, denn ich antwortet: »Ich diene dem Kaiser vor einen Soldaten; wenn ich nun auch sterbe als ein Soldat, so wirds kein Wunder sein, da ich gleich andern Soldaten (die nit allezeit auf das Geweihte begraben werden können, sondern irgends auf dem Feld, in Gräben, oder in der Wölf und Raben Mägen vorliebnemmen müssen) mich auch außerhalb des Kirchhofs behelfen werde.«
Also schiede ich vom Geistlichen, der mit seinem heiligen Seeleneifer anders nichts um mich verdient, als daß ich ihm einsmal einen Hasen abschlug, den er inständig von mir begehrte, mit Vorwand, weil er sich selbst an einem Strick erhenkt und ums Leben gebracht, daß sich dannenhero nit gebühre, daß er als ein Verzweifelter in ein geweihtes Erdreich begraben werden sollte.
Das 12. Kapitel
Simplicius wird unverhofft von der Muskete erlöst.
Also folgte bei mir keine Besserung, sondern ich wurde je länger je ärger; der Obrist sagte einsmals zu mir, er wollte mich, da ich kein gut tun wollte, mit einem Schelmen hinwegschicken; weil ich aber wohl wußte, daß es ihm nit Ernst war, sagte ich, dies könne leicht geschehen, wenn er mir nur den Steckenknecht mitgebe: also ließ er mich wiederum passiern, weil er sich wohl einbilden konnte, daß ichs vor keine Straff, sondern vor eine Wohltat halten würde, wenn er mich laufen ließe: Mußte demnach wider meines Herzen Willen ein Musketier bleiben und Hunger leiden, bis in den Sommer hinein. Je mehr sich aber der Graf von Götz mit seiner Armee näherte, je mehrers näherte sich auch meine Erlösung: Denn als selbiger zu Bruchsal das Hauptquartier hatte, wurde mein Herzbruder, dem ich im Läger vor Magdeburg mit meinem Geld getreulich geholfen, von der Generalität mit etlichen Verrichtungen in die Festung geschickt, da man ihm die höchste Ehr antät. Ich stund eben vor des Obristenquartier Schildwacht, und ob er zwar ein schwarzen sammeten Rock antrug, so erkannte ich ihn jedoch gleich im ersten Anblick, hatte aber nicht das Herz, ihn sogleich anzusprechen, denn