Ungekürztes Werk "Der Abentheuerliche Simplicissimus Teutsch" von Hans Jakob Christoph von Grimmelshausen (Seite 22)

als ich eben in meiner Hütten saße, und zugleich neben dem Gebet gelbe Rüben, zu meinem Aufenthalt, im Feuer briete, umringten mich bei 40 oder 50 Musketier; diese, ob sie zwar ob meiner Person Seltsamkeit erstauneten, so durchstürmten sie doch meine Hütten, und suchten, was da nicht zu finden war, dann nichts als Bücher hatte ich, die sie mir durcheinander geworfen, weil sie ihnen nichts taugten: Endlich, als sie mich besser betrachteten, und an meinen Federn sahen, was vor einen schlechten Vogel sie gefangen hätten, konnten sie leicht die Rechnung machen, daß bei mir ein schlechte Beut zu hoffen; demnach verwunderten sie sich über mein hartes Leben, und hatten mit meiner zarten Jugend ein großes Mitleiden, sonderlich der Offizier, so sie kommandierte; ja er ehrte mich, und begehrte gleichsam bittend, ich wollte ihm und den Seinigen den Weg wieder aus dem Wald weisen, in welchem sie schon lang in der Irre herumgangen wären; ich widerte mich ganz nicht, sondern führte sie den nächsten Weg gegen dem Dorf zu, allwo der obgemeldte Pfarrer so übel traktiert worden, dieweil ich sonst keinen andern Weg wußte: Ehe wir aber vor den Wald kamen, sahen wir ohngefähr einen Bauren oder zehen, deren ein Teil mit Feuerrohren bewehrt, die übrige aber geschäftig waren, etwas einzugraben; die Musketierer giengen auf sie los und schrieen: »Halt! halt!« jene aber antworteten mit Rohren: Und wie sie sahen, daß sie von den Soldaten übermannet waren, giengen sie schnell durch, also daß die müden Musketierer keinen von ihnen ereilen konnten; derowegen wollten sie wieder herausgraben, was die Bauren eingescharrt, das schickte sich um so viel desto besser, weil sie die Hauen und Schaufeln, so sie gebraucht, liegen ließen: Sie hatten aber wenig Streich getan, da höreten sie eine Stimm von unden herauf, die sagte: »O ihr leichtfertige Schelmen! O ihr Erzböswichter, vermeint ihr wohl, daß der Himmel euer unchristliche Grausamkeit und Bubenstück ungestraft hingehen lassen werde? Nein, es lebt noch manch redlicher Kerl, durch welche eure Unmenschlichkeit dermaßen vergolten werden soll; daß euch keiner von euren Nebenmenschen mehr den Hindern lecken dürfe.« Hierüber sahen die Soldaten einander an, weil sie nicht wußten, was sie tun sollten: Etliche vermeinten, sie hätten ein Gespenst, ich aber gedachte, es träume mir; ihr Offizier hieße dapfer zu graben: Sie kamen gleich auf ein Faß, schlugens auf, und fanden einen Kerl darinnen, der weder Nasen noch Ohr mehr hatte und gleichwohl noch lebte: Sobald sich derselbe ein wenig ermunterte und vom Haufen etliche kennete, erzählet er, was maßen die Bauren den vorigen Tag, als einige seines Regiments auf Fütterung gewest, ihrer sechs gefangen bekommen, davon sie allererst vor einer Stund fünfe, so hindereinander stehen müssen, totgeschossen; und weil die Kugel ihn, weil er der sechste und letzte gewest, nicht erlangt, indem sie schon zuvor durch fünf Körper gedrungen, hätten sie ihm Nasen und Ohren abgeschnitten, zuvor aber gezwungen, daß er ihrer fünfen (s. v.) den Hindern lecken müssen: Als er sich nun von den ehr- und gottsvergessenen Schelmen so gar geschmähet gesehen, hätte er ihnen,

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