Ungekürztes Werk "Der Abentheuerliche Simplicissimus Teutsch" von Hans Jakob Christoph von Grimmelshausen (Seite 221)
Hülf hat, erst kaputt machen, sagte derhalben: »Wo ist sein Tag je erhört worden, daß der Lehrjung das Handwerk besser verstehe als der Lehrmeister? Bruder, hast du ein so edel glückselig Leben, wie du vorgibst, so mache mich deiner Glückseligkeit auch teilhaftig, sintemal ich eines guten Glücks hoch vonnöten.« Darauf antwort Olivier: »Bruder sei versichert, daß ich dich so hoch liebe als mich selbsten, und daß mir die Beleidigung, so ich dir heut zugefügt, viel weher tut, als die Kugel, damit du mich an meine Stirn troffen, als du dich meiner wie ein dapferer rechtschaffener Kerl erwehrtest; warum wollte ich dir denn etwas versagen können? wenn dirs beliebt, so bleibe bei mir, ich will vor dich sorgen als vor mich selbsten; hast du aber keinen Lust bei mir zu sein, so will ich dir ein gut Stück Geld geben, und begleiten, wohin du wilt: Damit du aber glaubest, daß mir diese Wort von Herzen gehen, so will ich dir die Ursach sagen, warum ich dich so hoch halte: Du weißt dich zu erinnern, wie richtig der alte Herzbruder mit seinen Prophezeihungen zugetroffen; schaue, derselbe hat mir vor Magdeburg diese Wort geweissagt, die ich bishero fleißig im Gedächtnus behalten: ›Olivier, siehe unsern Narrn an wie du wilt, so wird er dennoch durch seine Dapferkeit dich erschröcken und dir den größten Possen erweisen, der dir dein Lebtag je geschehen wird, weil du ihn dazu verursachest in einer Zeit, darin ihr beide einander nicht erkennet gehabt; doch wird er dir nit allein dein Leben schenken, so in seinen Händen gestanden, sondern er wird auch über ein Zeitlang hernach an dasjenig Ort kommen, da du erschlagen wirst; daselbst wird er glückselig deinen Tod rächen.‹ Dieser Weissagung halber, liebster Simplici, bin ich bereit mit dir das Herz im Leib zu teilen, dann gleich wie schon ein Teil davon erfüllt, indem ich dir Ursach geben, daß du mich als ein dapferer Soldat vor den Kopf geschossen und mir mein Schwerd genommen (das mir freilich noch keiner getan), mir auch das Leben gelassen, da ich unter dir lag, und gleichsam im Blut erstickte; also zweifle ich nicht, daß das übrige von meinem Tod auch fehlschlagen werde. Aus solcher Rach nun, liebster Bruder, muß ich schließen, daß du mein getreuer Freund seiest; dann dafern du es nicht wärest, so würdest du solche Rach auch nicht über dich nehmen; da hast du nun die concepta meines Herzens; jetzt sag mir auch, was du zu tun gesinnet seiest?« Ich gedachte: »Trau dir der Teufel, ich nicht! nimm ich Geld von dir auf den Weg, so möchtest du mich erst niedermachen; bleib ich dann bei dir, so muß ich sorgen, ich dürfte mit dir gevierteilt werden«; setzte mir demnach vor, ich wollt ihm eine Nas drähen, bei ihm zu bleiben, bis ich mit Gelegenheit von ihm kommen könnte; sagte derhalben, so er mich leiden möchte, wollte ich mich ein Tag oder acht bei ihm aufhalten, zu sehen, ob ich solche Art zu leben gewohnen könnte; gefiel mirs, so sollte er beides,