Ungekürztes Werk "Der Abentheuerliche Simplicissimus Teutsch" von Hans Jakob Christoph von Grimmelshausen (Seite 222)
einen getreuen Freund und guten Soldaten an mir haben, gefiel mirs nit, so sei allezeit gut voneinander scheiden. Darauf setzt er mir mit dem Trunk zu, ich getraute aber auch nicht, und stellte mich voll ehe ichs war, zu sehen, ob er vielleicht an mich wollte, wenn ich mich nicht mehr defendieren könnte.
Indessen plagten mich die Müllerflöhe trefflich, deren ich eine ziemliche Quantität von Breisach mit mir gebracht hatte, dann sie wollten sich in der Wärme nicht mehr in meinen Lumpen behelfen, sondern spazierten heraus, sich auch lustig zu machen. Dieses nahm Olivier an mir gewahr und fragte, ob ich Läus hätte? Ich sagte: »Ja freilich, mehr als ich mein Lebtag Dukaten zu bekommen getraue.« »So mußt du nit reden« sagte Olivier, »wenn du bei mir bleibest, so kannst du noch wohl mehr Dukaten kriegen, als du jetzt Läus hast.« Ich antwortet: »Das ist so unmüglich, als ich jetzt meine Läus abschaffen kann.« »O ja«, sagte er »es ist beides müglich«, und befohl gleich dem Bauren, mir ein Kleid zu holen, das unfern vom Haus in einem hohlen Baum stack; das war ein grauer Hut, ein Koller von Elend, ein Paar roter scharlachner Hosen, und ein grauer Rock; Strümpf und Schuh wollte er mir morgen geben. Da ich solche Guttat von ihm sahe, getraute ich ihm schon etwas Bessers zu, als zuvor, und gieng fröhlich schlafen.
Das 17. Kapitel
Simplicii Gedanken sind andächtiger, wenn er auf die Räuberei gehet, als des Oliviers in der Kirchen.
Am Morgen gegen Tag sagte Olivier: »Auf Simplici, wir wollen in Gottes Namen hinaus, zu sehen, was etwan zu bekommen sein möchte.« »Ach Gott«, gedacht ich, »soll ich dann nun in deinem hochheiligen Namen auf die Räuberei gehen? und bin hiebevor, nachdem ich von meinem Einsiedel kam, nit so kühn gewesen, ohne Erstaunen zuzuhören, wenn einer zum andern sagte: ›Komm Bruder, wir wollen in Gottes Namen ein Maß Wein miteinander saufen‹; weil ichs vor eine doppelte Sünd hielte, wenn einer in deinem Namen sich vollsöffe. O himmlischer Vatter, wie hab ich mich verändert! O getreuer Gott, was wird endlich aus mir werden, wenn ich nicht wieder umkehre? Ach hemme meinen Lauf, der mich so richtig zur Höllen bringt, da ich nit Buß tue!« Mit dergleichen Worten und Gedanken folgete ich Olivier in ein Dorf, darinnen kein lebendige Kreatur war; da stiegen wir des fernen Aussehens halber auf den Kirchturn; auf demselben hatte er die Strümpf und Schuh verborgen, die er mir den Abend zuvor versprochen, daneben zwei Leib Brod, etlich Stück gesotten dörr Fleisch, und ein Fäßlein halb voll Wein im Vorrat, mit welchem er sich allein gern acht Tag hätte behelfen können. Indem ich nun meine Verehrung anzoge, erzählt er mir, daß er an diesem Ort pflege aufzupassen, wenn er eine gute Beut zu holen gedächte, deswegen er sich dann so wohl proviantiert, mit dem Anhang, daß er noch etlich solcher Örter hätte, die mit Speis und Trank versehen wären, damit wenn Bläsi an einem Ort nicht zu Haus wäre, er ihn am andern finden