Ungekürztes Werk "Der Abentheuerliche Simplicissimus Teutsch" von Hans Jakob Christoph von Grimmelshausen (Seite 224)

mit Lastern beschmitzen, sondern auch nach ihrem Tod dieselbe mit Eitelkeit und Torheit erfüllen; sobald du in eine Kirche kommest, so wirst du an den Grabsteinen und Epitaphien sehen, wie diejenige noch prangen, die doch die Würm schon längst gefressen; siehest du dann in die Höhe, so kommen dir mehr Schild, Helm, Waffen, Degen, Fahnen, Stiefel, Sporn und dergleichen Ding ins Gesicht, als in mancher Rüstkammer, daß also kein Wunder, daß sich die Bauren diesen Krieg über an etlichen Orten aus den Kirchen, wie aus Festungen, um das Ihrige gewehrt: Warum sollte mir nicht erlaubt sein, mir sage ich, als einem Soldaten, daß ich mein Handwerk in der Kirchen treibe? da doch hiebevor zween geistliche Vätter in einer Kirch nur des Vorsitzes halber ein solch Blutbad angestellt, daß die Kirch mehr einem Schlachthaus der Metzger, als heiligen Ort gleichgesehen: Ich zwar ließe es noch unterwegen, wenn man nur den Gottesdienst zu verrichten herkäme, da ich doch ein Weltmensch bin; jene aber, als Geistliche, respektierten doch die hohe Majestät des Römischen Kaisers nicht. Warum sollte mir verbotten sein, meine Nahrung vermittelst der Kirche zu suchen, da sich doch sonst so viel Menschen von derselben ernähren? Ists billich, daß mancher Reicher um ein Stück Geld in die Kirche begraben wird, sein und seiner Freundschaft Hoffart zu bezeugen, und daß hingegen der Arme (der doch so wohl ein Christ als jener, ja vielleicht ein frömmerer Mensch gewesen) so nichts zu geben hat, außerhalb in einem Winkel verscharret werden muß; es ist ein Ding, wie mans macht; wenn ich hätte gewußt, daß du Bedenken trügest, in der Kirch aufzupassen, so hätte ich mich bedacht, dir anderst zu antworten; indessen nimm ein Weil mit diesem vorlieb, bis ich dich einmal anders berede.«

Ich hätte dem Olivier gern geantwort, daß solches auch liederliche Leut wären, so wohl als er, welche die Kirchen verunehren, und daß dieselbige ihren Lohn schon drum finden würden; weil ich ihm aber ohnedas nicht traute, und ungern noch einmal mit ihm gestritten hätte, ließ ich ihn recht haben. Hernach begehrte er, ich wollte ihm erzählen, wie mirs ergangen; sint wir vor Wittstock voneinander kommen, und dann warum ich Narrnkleider angehabt, als ich im Magdeburgischen Läger angelangt? Weil ich aber wegen Halsschmerzen gar zu unlustig, entschuldigte ich mich, mit Bitt, er wollte mir doch zuvor seinen Lebenslauf erzählen, der vielleicht possierliche Schnitz in sich hielte; dies sagte er mir zu, und fieng sein ruchlos Leben nachfolgendergestalt an zu erzählen.

Das 18. Kapitel

Olivier erzählt sein Herkommen, und wie er sich in seiner Jugend, vornehmlich aber in der Schul gehalten.

»Mein Vatter«, sagte Olivier, »ist unweit der Stadt Aach von geringen Leuten geboren worden, derowegen er dann bei einem reichen Kaufmann, der mit dem Kupferhandel schacherte, in seiner Jugend dienen mußte; bei demselben hielt er sich so fein, daß er ihn schreiben, lesen und rechnen lernen ließe; und ihn über seinen ganzen Handel setzte, wie Potiphar den Joseph; dies schlug auch beiden Teilen wohl zu, dann der Kaufmann wurde wegen meines Vattern Fleiß und Vorsichtigkeit je

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