Ungekürztes Werk "Der Abentheuerliche Simplicissimus Teutsch" von Hans Jakob Christoph von Grimmelshausen (Seite 226)

Tun gieng auf obigen Schlag; ich stahl oft dem einen etwas, und steckte es einem andern in Sack, dem ich gern Stöß angerichtet, und mit solchen Griffen konnte ich so behutsam umgehen, daß ich fast niemals darüber erdappt wurde. Von den Kriegen, die wir damals geführt, bei denen ich gemeiniglich ein Obrister gewesen, item von den Stößen die ich oft bekommen (denn ich hatte stets ein zerkratzt Gesicht, und den Kopf voll Beulen), mag ich jetzt nichts sagen; es weiß ja jedermann ohnedas wohl, was die Buben oft anstellen. So kannst du auch an oberzählten Stücken leicht abnehmen, wie ich mich sonst in meiner Jugend angelassen.»

Das 19. Kapitel

Wie er zu Lüttich studiert und sich daselbst gehalten habe.

»Weilen sich meines Vattern Reichtum täglich mehrte, als bekam er auch desto mehr Schmarotzer und Fuchsschwänzer, die meinen guten Kopf zum Studieren trefflich lobten, sonsten aber alle meine Untugenden verschwiegen, oder aufs wenigst zu entschuldigen wußten, denn sie spürten wohl, daß derjenige so solches nicht tät, weder bei Vatter noch Mutter wohl dran sein könnte; derowegen hatten meine Eltern ein größere Freud über ihren Sohn, als die Grasmuck, die einen Guckuck aufzeucht. Sie dingten mir einen eigenen Praeceptorem, und schickten mich mit demselben nach Lüttich, mehr daß ich dort Welsch lernen, als studieren sollte, weilen sie keinen Teologum, sondern einen Handelsmann aus mir ziehen wollten; dieser hatte Befelch, mit beileib nicht streng zu halten, daß ich kein forchtsam knechtisch Gemüt überkäme; er sollte mich fein unter die Bursch lassen, damit ich nit leutscheu würde, und gedenken, daß sie keinen Mönchen, sondern einen Weltmann aus mir machen wollten, der wissen müssen, was Schwarz oder Weiß seie.

Ermeldter mein Präzeptor aber war dieser Instruktion unbedürftig, sondern von sich selbsten auf alle Büberei geneigt; was hätte er mir denn solche verbieten, oder mich um meine geringe Fehler hart halten sollen, da er selbst gröbere begieng; aufs Buhlen und Saufen war er am meisten geneigt, ich aber von Natur aufs Balgen und Schlagen, daher gieng ich schon bei Nacht mit ihm und seinesgleichen gassatim, und lernete ihm in Kürze mehr Untugenden als Latein ab. Soviel das Studiern anbelangt, verließ ich mich auf mein gut Gedächtnus und scharpfen Verstand, und war deswgen desto fahrlässiger, im übrigen aber in allen Lastern, Bubenstücken und Mutwillen ersoffen; mein Gewissen war bereits so weit, daß ein großer Heuwagen hindurch hätte fahren mögen: Ich fragte nichts danach, wenn ich in der Kirch unter der Predigt den Bernium, Burchiellum oder den Aretinum lase, und hörte nichts liebers vom ganzen Gottesdienst, als wenn man sagt: »Ite missa est.« Daneben dünkte ich mich keine Sau zu sein, sondern hielte mich recht stutzerisch; alle Tag war mirs Martinsabend oder Faßnacht, und weil ich mich dergestalt hielte wie ein gemachter Herr, und nicht nur das, so mein Vatter zur Notdurft reichlich schickte, sondern auch meiner Mutter fette Milchpfennig dapfer durchgehen ließe, lockte uns auch das Frauenzimmer an sich, sonderlich meinen Praeceptorem; bei diesen Schleppsäcken lernete ich leffeln, buhlen und spielen; hadern, balgen und schlagen konnte ich zuvor, und

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