Ungekürztes Werk "Der Abentheuerliche Simplicissimus Teutsch" von Hans Jakob Christoph von Grimmelshausen (Seite 225)

länger je reicher, mein Vatter selbst aber, der guten Tag halber, je länger je stölzer, so gar, daß er sich auch seiner Eltern schämte, und solche verachtete, daß sie oft vergeblich beklagten. Wie nun mein Vatter das 25. Jahr seines Alters erreichte, starb der Kaufmann, und verließe sein alte Wittib samt deren einzigen Tochter, die kürzlich in ein Pfann getretten und ihr von einem Gadenhengst ein Junges zweigen lassen; selbiges aber folgte seinem Großvatter am Totenreihen bald nach: Da nun mein Vatter sahe, daß die Tochter vatter- und kinder-, aber nicht geldlos worden, achtet er nicht, daß sie keinen Kranz mehr tragen dorfte, sondern erwog ihren Reichtum, und machte sich bei ihr zutäppisch, so ihre Mutter gern zuließe, nit allein, damit ihre Tochter wieder zu Ehren käme, sondern weil mein Vatter um den ganzen Handel alle Wissenschaft hatte, zumalen auch sonst mit dem Judenspieß trefflich fechten konnte. Also wurde mein Vatter durch solche Heurat unversehens ein reicher Kaufmann, ich aber sein erster Erb, den er wegen seines Überflusses zärtlich aufziehen ließe; ich wurde in Kleidungen gehalten wie ein Edelmann, in Essen wie ein Freiherr, und in der übrigen Wartung wie ein Graf, welches ich alles mehr dem Kupfer und Galmei, als dem Silber und Gold zu danken.

Ehe ich das siebende Jahr völlig überlebte, erzeigte sich schon, was aus mir werden wolte, dann was zur Nessel werden soll, brennt beizeiten; kein Schelmstück war mir zuviel, und wo ich einem konnte einen Possen reißen, unterließ ichs nicht, dann mich weder Vatter noch Mutter hierum strafte; ich terminierte mit meinesgleichen bösen Buben durch dinn und dick auf der Gassen herum, und hatte schon das Herz, mit stärkern als ich war, herumzuschlagen; kriegte ich dann Stöß, so sagten meine Eltern: ›Was ist das? soll so ein großer Flegel sich mit einem Kind schlagen?‹, überwand denn ich (maßen ich kratzte, biß und warf), so sagten sie: ›Unser Oliviergen wird ein braver Kerl werden!‹ Davon wuchs mir der Mut; zum Beten war ich noch zu klein, wenn ich aber fluchte wie ein Fuhrmann, so hieß, ich verstünde es nicht: Also wurde ich immer ärger, bis man mich zur Schul schickte; was denn andere böse Buben aus Bosheit ersannen und nicht praktizieren dorften, das setzte ich ins Werk. Wenn ich meine Bücher verklettert oder zerrisse, so schaffte mir die Mutter wieder andere, damit mein geiziger Vatter sich nit erzürnte. Meinem Schulmeister tät ich großen Dampf an, dann er dorfte mich nit hart halten, weil er ziemliche Verehrungen von meinen Eltern bekam, als deren un­ziemliche Affenliebe gegen mir ihm wohl bekannt ware; im Sommer fieng ich Feldgrillen und setzte sie fein heimlich in die Schul, die uns ein lieblich Gesang machten, im Winter aber stahl ich Nieswurz und sträubte sie an den Ort, da man die Knaben zur kastigieren pflegt; wann sich dann etwan ein Halstarriger wehrte, so stobe mein Pulver herum und machte mir ein angenehme Kurzweil, weil alles nießen mußte. Hernach dünkte ich mich viel zu gut sein, nur so gemeine Schelmstücke anzustellen, sondern all mein

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