Ungekürztes Werk "Der Abentheuerliche Simplicissimus Teutsch" von Hans Jakob Christoph von Grimmelshausen (Seite 228)
schmelzen lasse, bis dir ohnedas ein besser Glück aufstößt, wenn du dein übel Verhalten abgebüßt haben würdest.‹
Solche und dergleichen Lectiones mußte ich täglich hören, bis ich zuletzt auch ungedultig wurde und zu meinem Vatter sagte: Ich wäre an allem nit schuldig, sondern er und mein Präzeptor, der mich verführet hätte; daß er keine Freud an mir erlebe, wäre billich, sintemal seine Eltern sich auch seiner nicht zu erfreuen, als die er gleichsam im Bettel verhungern lasse: Er aber erdappte einen Prügel und wollte mir um meine Wahrsagung lohnen, hoch und teur sich verschwörend, er wollte mich nach Amsterdam ins Zuchthaus tun. Da gieng ich durch und verfügte mich selbige Nacht auf seinen unlängst erkauften Meierhof, sahe meinen Vortel aus, und ritte seinem Meier den besten Hengst auf Köln zu, den er im Stall hatte.
Denselben versilberte ich und kam abermal in eine Gesellschaft der Spitzbuben und Diebe, wie ich zu Lüttich eine verlassen hatte; diese erkannten mich gleich am Spielen, und ich sie hinwieder, weil wirs beiderseits so wohl konnten; ich verfügte mich gleich in ihre Zunft und half bei Nacht einfahren, wo ich zukommen möchte; demnach aber kurz hernach einer aus uns erdappt wurde, als er einer vornehmen Frauen auf dem Alten Markt ihren schweren Beutel doll machen wollte, zumal ich ihn einen halben Tag mit einem eisern Halskragen am Pranger stehen, ihm auch ein Ohr abschneiden und mit Ruten aushauen sahe, erleidet mir das Handwerk, ließ mich derowegen vor einen Soldaten unterhalten, weil eben damals unser Obrist, bei dem wir vor Magdeburg gewesen, sein Regiment zu verstärken, Knecht annahm. Indessen hatte mein Vatter erfahren, wo ich hinkommen, schrieb derhalben seinem Faktor zu, daß er mich auskundigen sollte; dies geschahe eben als ich bereits Geld auf die Hand empfangen hatte; der Faktor berichtet solches meinen Vatter wieder, der befohl, er sollte mich wieder ledig kaufen, es koste auch was es wolle; da ich solches hörte, förchtete ich das Zuchthaus und wollt einmal nicht ledig sein. Hierdurch vernahm mein Obrister, daß ich eines reichen Kaufherrn Sohn wäre, spannete derhalben den Bogen gar zu hoch, daß mich also mein Vatter ließe wie ich war, der Meinung, mich im Krieg ein Weil zappeln zu lassen, ob ich mich bessern möchte.
Nachgehends stunde es nicht lang an, daß meinem Obristen sein Schreiber mit Tod abgieng, an dessen Statt er mich zu sich nahm, maßen dir bewußt: Damal fienge ich an hohe Gedanken zu machen, der Hoffnung, von einer Staffel zur andern höher zu steigen, und endlich gar zu einem General zu werden: Ich lernete von unserm Secretario, wie ich mich halten sollte und mein Vorsatz groß zu werden verursachte, daß ich mich ehrbar und reputierlich einstellte, und nit mehr, wie hiebevor meiner Art nach, mich mit Lumpenbossen schleppte; es wollte aber gleichwohl nicht hotten, bis unser Secretarius starb, da gedacht ich, du mußt sehen, daß du dessen Stell bekommst; ich spendierte wo ich konnte, denn als meine Mutter erfuhr, daß ich anfienge gutzutun, schickte sie mir noch immer Geld. Weil aber der junge Herzbruder meinem