Ungekürztes Werk "Der Abentheuerliche Simplicissimus Teutsch" von Hans Jakob Christoph von Grimmelshausen (Seite 219)

Breisach entsetzen und endlich [uns] zu Herren der ganzen Welt machen wollten.«

In solchem Diskurs passierten wir, da es eben Nacht worden, in ein klein abgelegen Taglöhnerhäuslein; und ob mir zwar solche Prahlerei nit gefiel, so gab ich ihm doch recht, vornehmlich weil mir sein schelmisch falsch Gemüt bekannt war, und ob ich ihm zwar im geringsten nichts guts zutraute, so gieng ich doch mit ihm in besagtes Häuslein in welchem ein Baur eben die Stub einhitzte; zu dem sagte er: »Hast du etwas gekocht?« »Nein«, sagt der Baur, »ich hab ja den gebratenen Kalbsschlegel noch, den ich heute von Waldkirch brachte.« »Nun dann«, antwort Olivier, »so gehe und lang her was du hast, und bringe zugleich das Fäßlein Wein mit.«

Als der Baur fort war, sagte ich zu Olivier: »Bruder (ich nennt ihn so; damit ich desto sicherer vor ihm wäre), du hast einen willigen Wirt!« »Das dank« (sagte er) »dem Schelmen der Teufel; ich ernähr ihn ja mit Weib und Kind, und er macht noch dazu vor sich selbst gute Beuten; ich lasse ihm alle Kleider, die ich erobere, solche zu seinem Nutzen anzuwenden«: Ich fragte, wo er denn sein Weib und Kind hätte? da sagte Olivier, daß er sie nach Freiburg geflehnt, die er alle Woch zweimal besuche, und ihm von dort aus sowohl die Victualia als Kraut und Lot zubringe. Ferner berichtet er mich, daß er diese Freibeuterei schon lang getrieben, und ihm besser zuschlage, als wenn er ­einem Herrn diene; er gedächte auch nit aufzuhören, bis er seinen Beutel rechtschaffen gespickt hätte. Ich sagte: »Bruder, du lebest in einem gefährlichen Stand, und wenn du über solcher Räuberei ergriffen würdest, wie meinst du wohl, daß man mit dir umgieng?« »Ha«, sagte er, »ich höre wohl, daß du noch der alte Simplicius bist; ich weiß wohl, daß derjenige so kegeln will, auch aufsetzen muß; du mußt aber das wissen, daß die Herren von Nürnberg keinen henken lassen, sie haben ihn dann.« Ich antwortet: »Gesetzt aber Bruder, du werdest nicht erdappt, das doch sehr mißlich stehet, denn der Krug gehet so lang zum Brunnen, bis er einmal zerbricht, so ist dennoch ein solch Leben, wie du führest, das allerschändlichste von der Welt, daß ich also nit glaube, daß du darin zu sterben begehrest.« »Was« (sagte er) »das schändlichste? mein dapferer Simplici, ich versichere dich, daß die Räuberei das alleradelichste Exercitium ist, das man dieser Zeit auf der Welt haben kann! Sag mir, wie viel Königreich und Fürstentümer sind nicht mit Gewalt erraubt und zuwegen gebracht worden? Oder wo wirds einem König oder Fürsten auf dem ganzen Erdboden vor übel aufgenommen, wenn er seiner Länder Intraden geneußt, die doch gemeinlich durch ihrer Vorfahren verübten Gewalt zuwegen gebracht worden? Was könnte doch adelicher genennet werden, als eben das Handwerk, dessen ich mich jetzt bediene? Ich merke dir an, daß du mir gern vorhalten wolltest, daß ihrer viel wegen Mordens, Raubens und Stehlens seien gerädert, gehenkt und geköpft worden? das weiß ich zuvor wohl, dann das befehlen die Gesetze; du wirst aber keine

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