Ungekürztes Werk "Der Abentheuerliche Simplicissimus Teutsch" von Hans Jakob Christoph von Grimmelshausen (Seite 218)
sondern auch mein treuer Freund und Diener sein wollte. Ich hätte ihm aber weder geglaubt noch getraut, wenn mir seine verübte leichtfertige Handlungen bekannt gewest wären.
Da wir nun beide auf waren, gaben wir einander die Händ, daß alles was geschehen, vergessen sein sollte, und verwunderte sich einer über den andern, daß er seinen Meister gefunden, dann jener meinte, ich seie auch mit einer solchen Schelmenhaut, wie er, überzogen gewesen; ich ließ ihn auch dabei bleiben, damit, wenn er sein Gewehr bekäme, sich nicht noch einmal an mich reiben dürfte. Er hatte von meinem Schuß ein große Beul an der Stirn, und ich hatte mich sehr verblutet; doch klagte keiner mehr als den Hals, welche so zugerichtet, daß keiner den Kopf aufrecht tragen konnte.
Weil es dann gegen Abend war, und mir mein Gegenteil erzählen tät, daß ich bis an die Kinzig weder Hund noch Katz, viel weniger einen Menschen antreffen würde, er aber hingegen ohnweit von der Straß in einem abgelegenen Häuslein ein gut Stück Fleisch und einen Trunk zum besten hätte, also ließ ich mich überreden, und gieng mit ihm, da er dann unterwegs oft mit Seufzen bezeugte, wie leid ihm seie, daß er mich beleidigt habe.
Das 15. Kapitel
Wie Olivier seine buschklöpferische Übeltaten noch wohl zu entschuldigen vermeinte.
Ein resoluter Soldat, der sich darein ergeben, sein Leben zu wagen und gering zu achten, ist wohl ein dummes Vieh! Man hätte tausend Kerl gefunden, darunter kein einiger das Herz gehabt hätte, mit einem solchen, der ihn erst als ein Mörder angegriffen, an ein unbekannt Ort zu Gast zu gehen: Ich fragt ihn auf dem Weg was Volks er sei? da sagte er, er hätte vor diesmal keinen Herrn, sondern kriege vor sich selbst, und fragte zugleich, was Volks denn ich sei? Ich sagte, daß ich weimarisch gewesen, nunmehr aber mein Abschied hätte, und gesinnet wäre, mich nach Haus zu begeben; darauf fragte er, wie ich hieße? und da ich antwortet: »Simplicius«, kehrt er sich um, denn ich ließ ihn vorangehen, weil ich ihm nit traute, und sahe mir steif ins Gesicht: »Heißt du nicht auch Simplicissimus?« »Ja«, antwortet ich, »der ist ein Schelm der seinen Namen verleugnet, wie heißt aber du?« »Ach Bruder«, antwortet er, »so bin ich Olivier, den du wohl vor Magdeburg wirst gekannt haben«; warf damit sein Rohr von sich, und fiel auf die Kniee nieder, mich um Verzeihung zu bitten, daß er mich so übel gemeint hätte, sagend, er könnte sich wohl einbilden, daß er keinen bessern Freund in der Welt bekomme, als er an mir einen haben würde, weil ich nach des alten Herzbruders Prophezei seinen Tod so dapfer rächen sollte: Ich hingegen wollte mich über ein so seltsame Zusammenkunft verwundern, er aber sagte: »Das ist nichts Neues, Berg und Tal kommt nit zusammen; das ist mir aber seltsam, daß wir beide uns so verändert haben, sintemal ich aus einem Secretario ein Waldfischer, du aber aus einem Narrn zu einem so dapfern Soldaten worden! Sei versichert Bruder, wenn unserer zehentausend wären, daß wir morgenden Tags