Ungekürztes Werk "Der Abentheuerliche Simplicissimus Teutsch" von Hans Jakob Christoph von Grimmelshausen (Seite 217)

ich so ungedultig, daß ich meinem Kapitän eröffnete, wie meine Sachen bestellt wären, schrieb auch auf der Post nach L. und erhielte vom Obristen de S. A. und meinem Schwährvatter, daß sie durch ihre Schreiben bei dem Fürsten von Weimar zuwegen brachten, daß mich mein Kapitän mit einem Paß mußte laufen lassen.

Ungefähr eine Woch oder vier vor Weihnachten marschiert ich mit einem guten Feurrohr vom Läger ab, das Brißgäu hinunder, der Meinung, selbige Weihnachtmeß zu Straßburg 20 Taler, von meinem Schwähr übermacht, zu empfahen, und mich mit Kaufleuten den Rhein hinunder zu begeben, da es doch unterwegs viel kaiserliche Garnisonen hatte: Als ich aber bei Endingen vorbeipassiert, und zu einem einigen Haus kam, geschah ein Schuß nach mir, so daß mir die Kugel den Rand am Hut verletzt, und gleich darauf sprang ein starker vierschrötiger Kerl aus dem Haus auf mich los, der schriee, ich sollte das Gewehr ablegen; ich antwortet: »Bei Gott Landsmann, dir zu Gefallen nicht« und zog den Hahnen über; er aber wischte mit einem Ding von Leder, das mehr einem Henkersschwerd als Degen gleichsahe, und eilete damit auf mich zu: Wie ich nun seinen Ernst spürte, schlug ich an, und traf ihn dergestalt an die Stirn, daß er herumdurmelte und endlich zu Boden fiel; dieses mir zunutz zu machen, rang ich ihm geschwind sein Schwerd aus der Faust und wollts ihm in Leib stoßen; da es aber nicht durchgehen wollte, sprang er wieder unversehens auf die Füß, erwischte mich beim Haar, und ich ihn auch, sein Schwerd aber hatte ich schon weggeworfen; darauf fiengen wir ein solch ernstlich Spiel miteinander an, so eines jeden verbitterte Stärk genugsam zu erkennen gab, und konnt doch keiner des andern Meister werden, bald lag ich, bald er oben, und im Hui kamen wir wieder auf die Füß, so aber nicht lang dauerte, weil je einer des andern Tod suchte; das Blut, so mir häufig zu Nas und Mund herauslieffe, speite ich meinem Feind ins Gesicht, weil ers so hitzig begehrte, das war mir gut, denn es hinderte ihn am Sehen. Also zogen wir einander bei anderthalbe Stund im Schnee herum; davon wurden wir so matt, daß allem Ansehen nach des einen Unkräften des andern Müdigkeit, allein mit den Fäusten nicht völlig überwinden, noch einer den andern aus eigenen Kräften und ohne Waffen vollends zum Tod hätte bringen mögen.

Die Ringkunst, darin ich mich zu L. oft übte, kam mir damals wohl zustatten, sonst hätte ich ohne Zweifel eingebüßt, dann mein Feind war viel stärker als ich, und überdas eisenfest. Als wir einander fast tödlich abgemattet, sagte er endlich: »Bruder, hör auf, ich ergeb mich dir zu eigen«. Ich sagte: »Du solltest mich anfänglich haben passieren lassen.« »Was hast du mehr«, antwortet jener, »wenn ich gleich sterbe.« »Und was hättest du gehabt«, sagte ich, »wenn du mich hättest niedergeschossen, sintemal ich kein Heller Geld bei mir hab!« Darauf bat er um Verzeihung, und ich mich erweichen, und ihn aufstehen ließ, nachdem er mir zuvor teur geschworen, daß er nit allein Frieden halten,

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