Ungekürztes Werk "Der Abentheuerliche Simplicissimus Teutsch" von Hans Jakob Christoph von Grimmelshausen (Seite 215)

ihren Stachel verloren haben, nicht mehr arbeiten noch Honig machen, sondern nur fressen können; wann ein Reuter sein Pferd und ein Musketier seine Gesundheit verleurt, oder ihm Weib und Kind erkrankt und zuruckbleiben will, so ists schon anderthalb Paar Merodebrüder, ein Gesindlein, so sich mit nichts besser als mit den Zügeinern vergleicht, weil es nicht allein nach seinem Belieben vor, nach, neben und mitten unter der Armee herumstreicht, sondern auch demselben beides, an Sitten und Gewohnheit ähnlich ist; da siehet man sie haufenweis beieinander (wie die Feldhühner im Winter) hinder den Hecken, im Schatten, oder nach ihrer Gelegenheit an der Sonnen, oder irgends um ein Feur herum liegen, Taback zu saufen und zu faulenzen, wenn unterdessen anderwärts ein rechtschaffener Soldat beim Fähnlein Hitz, Durst, Hunger, Frost und allerhand Elend überstehet. Dort geht eine Schar neben dem Marsch her auf die Mauserei, wenn in dessen manch armer Soldat vor Mattigkeit unter seinen Waffen versinken möchte. Sie spolieren vor, neben und hinder der Armee alles was sie antreffen, und was sie nicht genießen können, verderben sie, also daß die Regimenter, wenn sie in die Quartier oder ins Läger kommen, oft nicht einen guten Trunk Wasser finden; und wenn sie alles Ernstes angehalten werden, bei der Bagage zu bleiben, so wird man oft beinahe dieselbe stärker finden, als die Armee selbst ist; wenn sie aber gesellenweis marschieren, quartieren, kampieren und hausieren, so haben sie keinen Wachtmeister, der sie kommandiert, keinen Feldwaibel oder Schergianten, der ihnen das Wams ausklopft, keinen Korporal, der sie wachen heißt, keinen Tambour, der sie des Zapfenstreichs, der Schar- und Tagwacht erinnert, und in Summa niemand, der sie anstatt des Adjutanten in Battaglia stellt oder anstatt des Furiers einlogiert, sondern leben vielmehr wie die Freiherren. Wenn aber etwas an Kommiß der Soldateska zukommt, so sind sie die erste, die ihr Teil holen, ob sie es gleich nit verdient. Hingegen sind die Rumormeister und Generalgewaltiger ihr allergrößte Pest, als welche ihnen zuzeiten, wenn sie es zu bunt machen, eiserne Silbergeschirr an Händ und Füß legen, oder sie wohl gar mit einem hänfinen Kragen zieren und an ihre allerbeste Häls aufhenken lassen.

Sie wachen nicht, sie schanzen nicht, sie stürmen nicht, und kommen auch in keine Schlachtordnung, und sie ernähren sich doch! Was aber der Feldherr, der Landmann und die Armada selbst, bei deren sich viel solches Gesinds befindet, vor Schaden davon habe, ist nicht zu beschreiben. Der heilloseste Reuterjung, der nichts tut als furagieren, ist dem Feldherrn nützer, als tausend Merodebrüder, die ein Handwerk draus machen und ohne Not auf der Bärnhaut liegen; sie werden vom Gegenteil hinweggefangen, und von den Bauren an teils Orten auf die Finger geklopft; dadurch wird die Armee gemindert, und der Feind gestärkt; und wenn gleich ein so liederlicher Schlingel (ich meine nicht die arme Kranke, sondern die unberittene Reuter, die unachtsamerweis ihre Pferd verderben lassen, und sich auf Merode begeben, damit sie ihre Haut schonen können) durch den Sommer davonkommt, so hat man nichts anders von ihm, als daß man ihn auf den Winter mit großem

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