Ungekürztes Werk "Der Abentheuerliche Simplicissimus Teutsch" von Hans Jakob Christoph von Grimmelshausen (Seite 277)
nit wenig wegen Zunahung solcher erschröcklichen Zeit; haben dich derowegen zu uns holen lassen, um zu vernehmen, was etwan deswegen vor Sorg oder Hoffnung zu machen sein möchte? wir zwar können aus dem Gestirn noch nichts dergleichen abnehmen, auch nichts an der Erdkugel vermerken, daß ein so nahe Veränderung obhanden seie; müssen sich derowegen wir von denen benachrichtigen lassen, welchen hiebevor ihr Heiland selbsten etliche Wahrzeichen seiner Zukunft hinterlassen, ersuchen dich derowegen ganz holdselig, du wollest uns bekennen, ob derjenige Glaub noch auf Erden sei oder nit, welchen der zukünftige Richter bei seiner Ankunft schwerlich mehr finden wird?« Ich antwortet dem König, er hätte mich Sachen gefragt, die mir zu beantworten viel zu hoch seien, zumaln Künftigs zu wissen: und sonderlich die Ankunft des Herrn allein Gott bekannt. »Nun wohlan dann«, antwortet der König hinwiederum, »so sage mir dann, wie sich die Stände der Welt in ihrem Beruf halten, damit ich daraus entweder der Welt und unsers Geschlechts Untergang: Oder gleich meinen Worten mir und den Meinigen ein langes Leben und glückselige Regierung konjekturieren könnte; hingegen will ich dich sehen lassen, was noch wenig zu sehen bekommen, und hernach mit einer solchen Verehrung abfertigen, deren du dich dein Lebtag zu erfreuen haben wirst, wann du mir nur die Wahrheit bekennest.« Als ich nun hierauf stillschwiege und mich bedachte, fuhr der König ferner fort und sagte: »Nun dran, dran, fang am Höchsten an und beschließe es am Niedersten, es muß doch sein, wann du anders wieder auf den Erdboden willst.«
Ich antwortet: »Wann ich an dem Höchsten anfahen soll, so mach ich billich den Anfang an den Geistlichen; dieselbe nun seind gemeiniglich alle, sie seien auch gleich was vor Religion sie immer wollen, wie sie Eusebius in einer Sermon beschrieben, nämlich rechtschaffene Verächter der Ruhe, Vermeider der Wollüste, in ihrem Beruf begierig zur Arbeit, gedultig in Verachtung; ungedultig zur Ehr, arm an Hab und Geld, reich am Gewissen, demütig gegen ihren Verdiensten, und hochmütig gegen den Lastern; und gleichwie sie sich allein befleißen Gott zu dienen, und auch andere Menschen mehr durch ihr Exempel als ihre Wort zum Reich Gottes zu bringen; also haben die weltliche hohe Häupter und Vorsteher allein ihr Absehen auf die liebe Justitiam, welche sie dann ohne Ansehen der Person einem jedwedern, Arm und Reich, durch die Bank hinaus schnurgerad erteilen und widerfahren lassen: Die Theologi sind gleichsam lauter Hieronymi und Bedae, die Kardinäl eitel Borromaei, die Bischöfe Augustini, die Äbte andere Hylariones und Pachomi, und die übrige Religiosen miteinander wie die Kongregation der Eremiten in der thebanischen Wildnus! Die Kaufleute handlen nicht aus Geiz, oder um Gewinns willen, sondern damit sie ihren Nebenmenschen mit ihrer War, die sie zu solchem Ende aus fernen Landen herbringen, bedient sein können: Die Wirte treiben nicht deswegen ihre Wirtschaften, reich zu werden, sondern damit sich der Hungerige, Durstige und Reisende bei ihnen erquicken, und sie die Bewirtung als ein Werk der Barmherzigkeit an den müden und kraftlosen Menschen üben können: Also sucht der Medikus nicht seinen Nutz, sondern die Gesundheit seines